Beefy ist an allem schuld
ging merkwürdigerweise immer wieder verloren. Wichtige Bescheinigungen der städtischen Baubehörde, Briefe vom Erzdiakon und vom Architekten erreichten ihren Empfänger nie, so daß der Pfarrer oft Stunden am Telefon verbringen mußte, um die verärgerten Absender zu besänftigen oder sich mit völlig mysteriös klingenden Anrufern herumzuschlagen. Manchmal fragte er sich, ob es vielleicht an der Unerfahrenheit und Unfähigkeit des neuen Briefträgers lag, der zu allem Unglück auch noch ein Holzbein hatte.
Aber an einem schönen Frühlingsmorgen brachte ihm eben dieser Postbote einen Brief, der ihn sogleich in gute Laune versetzte. Er kam von Mrs. Mary Phillips, die zwanzig Jahre lang Haushälterin bei einem kürzlich verstorbenen Landpfarrer gewesen war und sich jetzt auf Grund seiner Anzeige im Daily Telegraph als Haushälterin bei ihm bewarb.
Der Brief war höflich, freundlich und gut formuliert. Die beigefügten Empfehlungen waren ausgezeichnet. Fröhlich pfeifend griff der Pfarrer nach einem Briefbogen und bat Mrs. Phillips, sich möglichst bald bei ihm vorzustellen.
Am selben Tag wurde Beefy aus dem Gefängnis entlassen. Er war mißmutig, denn man hatte ihn schlecht behandelt, ja, sich sogar geweigert, ihm seinen Dietrich wieder auszuhändigen. Das war ungerecht. Heck hatte immer gesagt, sie müssen dir alle deine Sachen wiedergeben, sonst beschwere dich beim Gefängnisdirektor. Beefy hatte die krummen Sachen satt, sie brachten immer nur Ärger. Und aus dem Gemeindehaus war inzwischen sicher längst eine Fabrik geworden, dachte er trübe. Also mußte er sich auch noch eine neue Bleibe suchen.
Aber als das Haus in Sicht kam, schien es, als habe sich dort nicht viel verändert. Die Eingangstür stand offen. Er schlich hinein.
Innen war es schon dunkel. Die alte Lizzie Tubb räumte noch das Zimmer auf, wo die Pfadfinder zusammengekommen waren, bevor sie endgültig abschloß. Sie hatte sich erst gar nicht die Mühe gemacht, Licht anzuknipsen. Plötzlich sah sie sich zu ihrem Schrecken einem gedrungenen, kräftigen jungen Mann in einem gestreiften Trikot gegenüber. Sie schrie auf.
Auch Beefys erste Worte beruhigten sie nicht. «Was steht denn da auf Ihrem Bauch?» fragte er.
Sie sah ihn ängstlich an und wich ein wenig zurück. Beefy folgte ihr. «Da steht doch was», sagte er. «Ich hab immer wissen wollen, was es heißt.»
Sie blickte ihn an. «Was wollen Sie?» fragte sie verstört.
Geduldig wiederholte Beefy: «Was da auf Ihrem Bauch steht, möchte ich wissen.»
Lizzie blickte auf ihre Schürze hinunter.
«Ich - ich weiß nicht», stammelte sie.
«Vielleicht weil Sie’s verkehrtrum sehen», sagte Beefy hilfsbereit.
Lizzie ließ den Kopf hängen. Sie wußte nicht, was sie sagen sollte.
«Ich kann nicht lesen», gestand sie schließlich verschämt.
Beefy hätte sie am liebsten umarmt. «Wissen Sie was?» sagte er. «Ich nämlich auch nicht.»
«Ich dachte immer, außer mir kann jeder lesen», sagte Lizzie mit stockender Stimme.
«Und ich dachte immer außer mir.» Beefy lachte glücklich.
Auch Lizzie lächelte jetzt. «Wollen Sie nicht mitkommen und ‘ne Tasse Tee bei mir trinken?» fragte sie.
Beefy war von Lizzies Freundlichkeit überwältigt.
«Ja, gern», sagte er. «Aber schließen Sie hier mal nicht ab, ich wohn nämlich hier, ich und die Jungens.»
«Das soll wohl ‘n Scherz sein», sagte Lizzie kichernd.
«Nein, wirklich, ich wohn hier. Ich hab meine Schlüssel verloren. Wir wohnen da oben.» Er wies auf den Dachboden. «Aber sagen Sie’s bloß keinem weiter.»
«Ach so.» Lizzies Interesse verflog. «Da oben putze ich sowieso nie. Kennen Sie sich vielleicht mit Hunden aus?»
«Meine Oma und ich hatten mal einen. Hieß Blackie.»
Lizzie war außer sich vor Verblüffung. «Das ist ja komisch. Meiner heißt auch Blackie. Aber er ist alt und krank.»
Inzwischen waren sie in der Nottingham Road angelangt; Lizzie führte Beefy in das dunkle Häuschen und zündete das Gas in der Küche an.
«Da ist er», sagte sie und wies auf das kraftlose kleine Fellbündel.
Beefy beugte sich nieder und wollte Blackie streicheln. «Aber er ist ja tot», sagte er traurig.
Lizzie schrie auf, und dann schluchzte sie herzerweichend. «Das arme liebe Hündchen», sagte sie schließlich.
Beefy, der tote Tiere nicht berühren mochte, war sehr erstaunt, als er sich plötzlich sagen hörte: «Ich begrab ihn, wenn Sie wollen», war dann aber doch sehr erschrocken, als Lizzie meinte, das wäre
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