Beefy ist an allem schuld
Nellie. «Ich dachte, du wärst da in der Stadt schon längst unter die Räder gekommen. Bei all den Autos», fügte sie etwas unsicher hinzu.
«Beefy ist beim Finanzamt», sagte Sally.
«Dann kannst du doch sicher dort auch Sally eine Stellung besorgen», sagte Tante Nellie. «Sie hatte eine so gute Arbeit als Haushälterin im Pfarrhaus. Aber nach dem Tod des alten Pfarrers haben sie jetzt einen neuen mit Frau und vier Töchtern. Da brauchen sie meine Sally nicht mehr. Möchtest du ein Gläschen Kräuterlikör?»
Beefy befürchtete, daß das etwas ähnlich Unangenehmes wie Cognac oder Gin war.
«Nein, vielen Dank, Tantchen», sagte er höflich.
«Wenn dein Onkel Bert öfter einmal ein Glas Kräuterlikör getrunken hätte, wäre er heute noch am Leben», meinte Tante Nellie. «Du schlägst ihm immer mehr nach.» Und im Ton einer düsteren Prophezeiung fügte sie hinzu: «Du wirst zu dick - schlecht fürs Herz!»
«Aber nein, Beefy geht es sehr gut, nicht war, Beefy», sagte Sally lachend.
«Ja», stimmte Beefy vollen Herzens zu. In diesem dämmrigen kleinen Häuschen, bei Menschen, die er seit seiner Kindheit kannte, war er weder scheu noch ängstlich. Hier konnte er reden, ohne daß ihm die Worte sofort durcheinandergerieten. «Lebt der alte Mr. Wainwraight eigentlich noch?» fragte er die Tante.
«Leider ja. Man muß alles für ihn machen. Alles», wiederholte Tante Nellie bedeutungsvoll, und damit war das Stichwort gegeben für einen ausführlichen Bericht über Krankheiten und Gebrechen sämtlicher Dorfbewohner. Beefy horte höflich zu. Schließlich entstand eine Pause, und Beefy, der auch etwas zur Unterhaltung beisteuern wollte, sagte: «Neulich hatte ich Backenschmerzen.»
«Joe Grummitt ist an Backenschmerzen gestorben», sagte Tantchen prompt. «Es waren gar nicht die Zähne. Es war was ganz Schlimmes.»
«Mir geht’s jetzt aber besser», sagte Beefy erschrocken.
«Ihm ging’s damals auch eine Zeitlang besser. Aber dann kamen sie wieder. Ganz furchtbar. Komisch, wie oft die Leute denken, sie hätten bloß ein bißchen Backenschmerzen oder Magendrücken, und dann stellt sich heraus, daß es was ganz Schlimmes ist.»
Beefy sank der Mut. Aber dann erschien Sally mit einer dicken Scheibe kalter Kaninchenpastete, einem kroß gebackenen Brot, taufrischer Butter und einem großen Krug Milch. Sie stellte alles vor ihm auf den Tisch. «Hier, Beefy», sagte sie, «zieh deinen Stuhl heran und laß dir’s schmecken.»
«Ja, am Magen fehlt mir ja auch nichts», meinte er erleichtert, und lächelte ihr dankbar zu. Sie hatte sich eine geblümte Schürze umgebunden und wirkte sehr fraulich mit ihrem kastanienbraunen Haar und ihren braunen, heiteren Augen. Plötzlich hatte Beefy eine Vision. Er war nicht mehr allein mit Emilie, dem Schwein. Sally war in seinem Häuschen. Sie trug eine geblümte Schürze, eilte von der Küche in die gute Stube und kuschelte sich zu seinen Füßen nieder, während er seinen Wildwestschmöker las. Er errötete. Wenn nun Sally seine Gedanken erriet. Womöglich würde sie ihn dann auslachen. Mit gesenktem Blick setzte er sich an den Tisch. Sally stand neben ihm, goß ihm Milch ein, und er spürte ihre Frische.
Beefy schmeckte das Essen. Seine Vision hatte ihn wieder schüchtern werden lassen, aber während er aß, brauchte er ja nicht zu reden; er nickte nur immer wieder mit vollem Mund, während Sally darauflosplauderte. Nachdem er sein letztes Stück Kaninchenpastete verschlungen hatte, fiel ihm Oma ein, die ihn zum Mittagessen erwartete. «Ich muß gehen», sagte er.
«Ich werde dich noch bis zur Lichtung bringen», meinte Sally und band ihre Schürze ab.
«Also, laß dir’s gutgehen», sagte Tante Nellie und küßte ihn.
Sie traten in die helle, warme Nachmittagssonne hinaus und gingen schweigend nebeneinander her. Beefy war zu schüchtern, um zu reden, und Sally schien in Gedanken versunken. Schweigend gelangten sie zu der Lichtung. Sally reichte ihm die Hand und sah ihn fest an, mit einem traurigen und zugleich amüsierten Ausdruck. «Auf Wiedersehen, Beefy», sagte sie. «Schade - du bist so nett geworden.»
«Nett?» Beefy starrte sie voller Staunen an.
«Ja, ich finde, du bist der netteste und bescheidenste Mensch, der mir je begegnet ist», sagte sie. Sie legte die Hände auf seine Schultern und berührte seine Wange flüchtig mit den Lippen; im nächsten Augenblick war sie im schimmernden Nachmittag verschwunden.
Es dauerte eine Weile, bis sich Beefy von diesem
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