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Beerensommer

Beerensommer

Titel: Beerensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Barth-Grözinger
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dass der Übele selber reingelegt wurde. Er ist schon so viele Jahre bei mir, ich kann mir nicht vorstellen, dass er mich übers Ohr haut.«
    Vor Friedrichs Augen tauchten Bilder auf, wie Übele mit den Holzhändlern in seinem kleinen Kabuff verschwand, schulterklopfend und feixend, wie dort die Schnapsflasche kreiste und wie man später wieder herauskam, augenzwinkernd und händeschüttelnd. Sicher, nicht alle Holzhändler machten mit, aber es waren einige. Laut sagte er: »Das glauben sie doch selber nicht. Einer wie der Übele, der schon so lange im Geschäft ist – und viele der älteren Arbeiter wissen auch Bescheid, die trauen sich bloß nicht, etwas zu sagen!«
    Louis Dederer griff zu einer Rotweinflasche, die halb geleert auf dem Schreibtisch stand. Er nahm einen tiefen Zug direkt aus der Flasche. Normalerweise hätte er mir etwas angeboten, dachte Friedrich und spürte das erste Mal eine leichte Beklommenheit. Was war, wenn seine Rechnung nicht aufging? Wenn der alte, versoffene Kerl da vor ihm Übele doch mehr vertraute als ihm, dem Stadtmühlenbewohner?
    Als könnte Louis Dederer seine Gedanken lesen, sagte er plötzlich unvermittelt in die Stille hinein: »Was macht dich eigentlich so sicher, dass ich dir glaube? Ich könnte dich jetzt auf der Stelle hinausschmeißen. Beschuldigst einfach meinen Vorarbeiter! Marschierst hier einfach herein und beschuldigst altgediente, treue Leute! Was, du verfluchter Kerl, was macht dich so sicher?«
    Weil ich weiß, dass du weißt, dass ich recht habe, dachte Friedrich, weil du ahnst oder dir sogar sicher bist, dass du in deinem Suff vieles nicht mehr so richtig mitbekommst. Dass der Übele dich bescheißt, dass andere dich bescheißen, ganz das Hirn weggesoffen hast du dir doch noch nicht – und da ist ja auch Lisbeth! Er hielt dem Blick stand, diesem überraschend klaren Blick aus den rot unterlaufenen Augen. »Ich habe recht und das wissen Sie! Ich würde nie ohne Grund so etwas behaupten. Sie kennen mich.«
    Dederer nahm einen weiteren Schluck aus der Weinflasche, die jetzt fast leer war. Dann wischte er die Papiere verächtlich beiseite, als wollte er so demonstrieren, dass er sie gar nicht brauchte, dass er immer noch Herr im eigenen Hause war. »Ich spreche nachher mit dem Übele. Und du geh zurück an deine Arbeit! Aber eines sage ich dir, gnade dir Gott, wenn der Übele alles widerlegen kann!«
    Statt einer Antwort schenkte ihm Friedrich ein Lächeln, von dem er hoffte, dass es nicht zu überheblich ausfiel. Er ging zur Tür und spürte dabei den Blick von Louis Dederer in seinem Rücken brennen. Als er die Klinke herunterdrückte, überlegte er kurz. Das war gut gelaufen, es war der richtige Augenblick gewesen! Der Alte war heute gut gelaunt gewesen, hatte noch nicht zu viel getrunken. Heute Abend würde Johannes zurückkommen und deshalb hatte er heute Morgen beschlossen, das als gutes Omen zu nehmen. Heute war der richtige Tag gewesen! Er hatte recht gehabt. Es war gut gelaufen, das hatte er im Gefühl – also konnte er noch eins draufsetzen, konnte zeigen, dass mit ihm zu rechnen war.
    »Was ist denn noch?«, kam es ungeduldig vom Schreibtisch her.
    »Herr Dederer«, Friedrich drehte sich um und ging ein paar Schritte ins Büro zurück, »was ich Sie schon lange fragen wollte – Sie haben doch eigene Wälder hier?«
    »Uns gehört der halbe Eiberg!« Louis Dederer lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück und grinste selbstgefällig. »Aber was soll diese Frage?«
    »Warum schlagen Sie nicht viel mehr in Ihren eigenen Wäldern ein? Sie haben gutes Holz!«
    »Erstklassiges Holz, guter, gesunder Mischwald – aber wir schlagen doch ein!«
    »Viel zu wenig.« Friedrich trat jetzt schnell wieder vor den Schreibtisch. »Sehen Sie, wir haben momentan so viel Arbeit wie schon lange nicht. Der Krieg bringt das mit sich. Aber auch wenn wieder Frieden ist – wir könnten Holzschwellen für den Gleisbau anbieten. Sie haben so viel gutes Buchenholz in ihren Wäldern. Die Eisenbahn fährt auch in Friedenszeiten. Und es wird wieder gebaut!«
    »Weißt du eigentlich, wie lange es dauert, so einen guten Mischwald zu bekommen, mit Eichen, Lärchen und gesunden, hoch gewachsenen Buchen? Die Wälder sind vom Vater meines Großvaters auf mich gekommen und ich mache es so, wie es immer Brauch war bei den Dederers: Es wird eingeschlagen, aber vorsichtig und nicht zu viel. Ich holz doch nicht im Unverstand unsere Wälder ab! Und überhaupt ...«
    »Das ist zu eng gedacht, Herr

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