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Beerensommer

Beerensommer

Titel: Beerensommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Barth-Grözinger
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verwilderten herrschaftlichen Park herumstanden. Paule hatte den Schnaps »organisiert«, wahrscheinlich war es Alkohol zum Desinfizieren, den er mit Wasser verdünnt hatte, und er schmeckte abscheulich, aber er machte einen warmen Bauch und ließ die Seele ein bisschen flattern.
    Für uns ist schon Frieden, hatte Johannes gedacht, Paule hat zwar einen hohen Preis bezahlt – aber wir leben!
    Und dann hatte Paule plötzlich den Arm um ihn gelegt. Es war keine unangenehme Geste gewesen, Johannes hatte sie nicht als Zeichen einer plötzlich aufwallenden Zärtlichkeit empfunden, die später ein Gefühl der Peinlichkeit hinterlassen würde. Nein, es war eine Geste der Freundschaft, des Vertrauens. Paule hatte dicht an Johannes’ rechtem Ohr geflüstert: »Ich will jedenfalls dabei sein, wenn es losgeht.«
    »Losgeht? Was meinst du?« Johannes hatte ihn entgeistert angestarrt.
    »Na, was wohl? Da red ich mir den Mund fusslig und du hast nichts kapiert! Bist ein richtiger Mondscheingucker! Ich hab dir doch erzählt, was Rosa gesagt hat. Dass es eine Revolution geben wird, geben muss. Die Arbeiter werden sich erheben, hat sie gesagt, und ihre Ketten abschütteln! Klingt gut, was? Und jetzt ist es soweit, Jungchen, jetzt muss es sein. Soll denn das alles umsonst gewesen sein?« Paule deutete mit einer weit ausholenden Handbewegung in eine imaginäre Ferne, dorthin, wo die Schützengräben lagen, wo immer noch gestorben wurde. »Vier Jahre geht jetzt schon die ganze Scheiße, die Männer verrecken und zu Hause verhungern ihre Frauen und Kinder, und ein paar wenige werden immer fetter und fetter, verdienen sich dumm und dämlich an diesem Krieg. Nee, nee, Jungchen, diese Brut muss weg, die Arbeiter müssen sich erheben, wie Rosa sagt, und es muss alles anders werden, dann hat das Ganze wenigstens einen Sinn gehabt! Der Wolters, dem sie den Arm weggeschossen haben, der Kleine, Glatzköpfige, der ist auch Genosse und der hat mir erzählt, dass in Berlin seit Januar die Arbeiter in den Rüstungsfabriken streiken, stell dir das mal vor, die gehen auf die Straße und die Frauen mit. Es hat schon angefangen! Jetzt müssen sich die Genossen nur noch bewaffnen und bald fängt es an. Und ich will dabei sein, Jungchen, und du musst auch mitmachen! Verstehst du, es muss alles anders werden.«
    Ganz benommen hatte Johannes ihm zugehört. »Du meinst, dass es zu Hause einen Kampf geben wird, einen ...«, fast hätte er das Wort nicht aussprechen können, » ... einen neuen Krieg?«
    »Revolution, Jungchen, Revolution! Und das ist kein Spaziergang.«
    Paule hatte sich dann förmlich in einen Rausch der Begeisterung geredet und seine Vision eines künftigen Deutschlands entworfen, in dem es weder Arm und Reich noch Oben und Unten gab. Ein friedliches Deutschland sollte es sein, eines, in dem alle volle Bäuche hatten. Und der Besitz sollte gerecht aufgeteilt werden ...
    Johannes hatte versucht sich vorzustellen, wie der Herr Direktor Tournier oder der Herr Sägewerksbesitzer Zinser oder auch der Herr Armbruster ihren Arbeitern jeweils einen Teil ihres Unternehmens überließen, und hatte daraufhin zweifelnd eingeworfen, das ginge doch eigentlich gar nicht und die Unternehmer und Fabrikanten würden sich sicher dagegen wehren.
    Paule hatte ihn ganz entgeistert angestarrt und lakonisch erwidert: »Na klar doch, deshalb brauchen wir auch die Gewehre!«
    Johannes hatte nicht den Mut, weiter kritische Einwände gegen Paules Vorstellungen anzubringen, aber als er in der letzten Nacht im Lazarett sich schlaflos auf dem durchgelegenen Feldbett gewälzt hatte, war ihm immer wieder durch den Kopf gegangen, dass das Kämpfen und Töten nicht aufhören würde, falls Paule recht behalten sollte. Und bei aller Sympathie für dessen Träume bedrückte ihn der Gedanke, dass diese Träume mit Blut und Tod wahr gemacht werden sollten. Dann sind wir doch auch nicht besser als die Reichen, als die Kapitalisten, die den Krieg angezettelt haben, hatte er zweifelnd gedacht und sein Herz war ihm schwer geworden bei dieser Vorstellung.
    Aber das konnte er Paule nicht sagen, nicht in diesem Moment des Abschieds. Paule versuchte zwar mannhaft seine Gefühle zu verbergen, aber über die heil gebliebene Hälfte seines Gesichts liefen Tränen und seine Stimme zitterte, als er Johannes Lebewohl sagte. »Ich schreibe dir, sobald ich wieder zu Hause in Berlin bin, und dann besuchste mich und ich zeig dir alles. Und wenn es dann losgeht, Jungchen, dann biste dabei.«
    Bei

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