Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)
sich Größen wie Goethe, Herder und der österreichische Staatskanzler Kaunitz. Auch in Bonn waren die meisten führenden Persönlichkeiten gleichzeitig Freimaurer und Illuminaten, darunter einige Musiker, die später auch in Beethovens Laufbahn eine wichtige Rolle spielten: der Geiger Franz Anton Ries und der Hornist und Musikverleger Nikolaus Simrock.
Neefe, der schon auf einen beeindruckenden freimaurerischen Werdegang verweisen konnte, machte bei den Bonner Illuminaten, der «Minervalkirche Stagira», eine Blitzkarriere. Man attestierte ihm vorbildlichen Einsatz, Fleiß und Reife, nach einer rasch durchlaufenen Probezeit wurde er 1781 offiziell Mitglied und schon zwei Jahre später «Princeps», womit er de facto Leiter der Bonner Vereinigung war. Er machte sich so aber auch zahlreiche Feinde. Von Anfang an wurde ihm Opportunismus und ein Mangel an innerer Überzeugung vorgeworfen. Man behauptete – vielleicht nicht ganz zu Unrecht –, er verdanke seine ganze musikalische Karriere seinem Freimaurertum. Und auch wer sich daran weniger störte, kritisierte seine Neigung zur Indiskretion, seine Überheblichkeit und seinen Hochmut. Nach einiger Zeit war all das aber kaum noch von Bedeutung, weil 1786 die Münchener Mutterloge verboten wurde und sich ein Jahr später auch die Bonner Illuminatenvereinigung auflöste. Die meisten Mitglieder sahen in der Gründung der Bonner Lesegesellschaft eine Möglichkeit, ihre Aktivitäten – nun gezwungenermaßen heimlich – fortzusetzen.
Die Illuminaten legten großen Wert auf die Rekrutierung junger, noch formbarer Adepten. Jeder Illuminat hatte die Pflicht, sich der geistigen Entwicklung eines Kandidaten anzunehmen, von dem wiederum intellektuelle Selbstaufgabe erwartet wurde; im Grunde fand eine Art Gehirnwäsche statt. Lektüre, Verhalten, Denken, alles wurde dem Kandidaten genau vorgeschrieben. In diesem Kontext muss man Neefes Verhältnis zu Beethoven sehen: Neefe empfand es als höheren Auftrag, seinen Schüler beruflich auf den Weg zu bringen, machte ihn aber auch zum Objekt seines illuminatischen Bekehrungseifers. Wie zu erwarten, ließ Beethovens Persönlichkeit dergleichen auf die Dauer nicht zu, es kam zu einer geistigen Entfremdung zwischen dem Lehrer und dem inzwischen halb erwachsenen Schüler; schon 1785 kühlte das Verhältnis merklich ab. Weil sich außerdem der Orden kurz danach auflösen musste, wurde Beethoven nie offiziell eingeweiht. Trotzdem hat ihn diese Episode geprägt; seine geistigen Anlagen wurden ausgebildet, sein ethisches Bewusstsein geschärft. Er verdankte dieser Erfahrung eine Reihe von Beziehungen – das freimaurerische Netzwerk sollte ihm noch nützlich sein –, gleichzeitig hat sie aber auch seine Skepsis gegenüber den Mitmenschen genährt. Der Beethoven-Biograph Hans-Josef Irmen meinte sogar, es sei nicht auszuschließen, dass die frauenfeindliche Tendenz der Illuminaten und Freimaurer Beethovens Verhältnis zum anderen Geschlecht erheblich kompliziert habe.[ 29 ]
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Der junge Berufsmusiker
Neefe hat seinen jungen Schüler schnell mit dem Ernst des musikalischen Lebens konfrontiert, indem er ihn kleinere Arbeiten ausführen ließ – einerseits, weil nach seiner Überzeugung die Praxis die beste Schule war, andererseits auch aus Eigennutz. Neefe tat, was viele gefragte Musiker tun: Sie bürden sich mehr auf, als sie schaffen können, und überlassen dann die weniger attraktiven Aufträge den begabtesten Schülern, die dadurch wiederum früh Geschmack am Geldverdienen finden. Auf diese Weise konnte der Lehrer den Schüler an sich binden und möglichen Ärger über pädagogische Nachlässigkeit im Keim ersticken.
Dass Neefe so gut zu tun hatte, verdankte sich einer günstigen Musik- und Theaterkonjunktur. Die Sparwut aus den Anfangsjahren von Maximilian Friedrichs Herrschaft hatte sich gelegt, das Orchester war mit italienischen Opern, Sinfonien und geistlicher Musik voll ausgelastet. Ab 1779 erweiterte sich das Repertoire noch um das neue deutsche Musiktheater. Joseph II. hatte in Wien das Singspiel aufgewertet, indem er ihm einen offiziellen Status als «Teutsches Nationalsingspiel» gab, und wie viele andere deutsche Städte wollte Bonn dem Wiener Vorbild folgen. Ermöglicht wurde dies durch ein frühes Beispiel öffentlich-privater Zusammenarbeit: Der Hof engagierte eine private Theatergesellschaft – die Truppe des Ehepaars Großmann aus Frankfurt – und stellte selbst das Orchester. Bald verflochten sich Zuständigkeiten
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