Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)
des damals sehr bekannten Kapellmeisters Christian Ernst Graf. Beethoven soll dafür ein Honorar von 63 Gulden – fast die Hälfte seines späteren Jahresgehalts in Bonn – und etliche Naturalien geschenkt bekommen haben.[ 31 ] Dennoch soll er sich bei der Heimkehr über die niederländische Mentalität beklagt haben: «die Hollännder, das sind pfennigks Fückser, die lieben das Geld zu sehr, ich werde Hollannt nimmer mehr besuchen.»[ 32 ]
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Abschied von Bonn
Die Sterkel-Episode in Mergentheim und die lobende Kritik in Boßlers Musikalischer Korrespondenz einerseits und der Misserfolg mit den beiden Kaiserkantaten andererseits zeigen, wie unterschiedlich Beethovens Leistungen wahrgenommen wurden. Das hing nicht zuletzt mit der Zwiespältigkeit seines Status in Bonn zusammen. Obwohl jeder sehen musste, dass man es hier mit einem außergewöhnlichen und eigenwilligen Talent zu tun hatte, blieb er doch ein junger Mann aus allzu vertrautem Milieu, der Enkel des eifrigen, aber langweiligen Ex-Kapellmeisters Louis und der Sohn des heruntergekommenen Kollegen Jean van Beethoven. Deshalb konnte aus der Verwunderung über seine Begabung nicht so leicht Bewunderung und Respekt werden. Wer seine Entwicklung mit Interesse verfolgte, wusste zwar, dass er alle Voraussetzungen dafür mitbrachte, sein großes Ziel zu erreichen und wie sein Großvater Kapellmeister in Bonn zu werden. Aber auch, dass er sich erst in einer großen Musikmetropole seine Sporen verdienen musste, um nach diesem Umweg ein respektierter Kapellmeister sein zu können.
Außerdem waren seine Entwicklungsmöglichkeiten in Bonn offensichtlich ausgeschöpft. Er musste dringend seinen Horizont erweitern, damit sich seine musikalische Fantasie an sperrigeren Gattungen bewähren konnte: Klaviersonate, Streichquartett, Sinfonie, Oper. Anders gesagt, er brauchte unbedingt einen erfahrenen Mentor und eine neue, anregende Umgebung. Wie zu erwarten, wandte er den Blick erneut nach Wien.
Zwei Persönlichkeiten haben entscheidend dazu beigetragen, dass Beethoven im Dezember 1792 zum zweiten Mal nach Wien reisen konnte: Joseph Haydn, seit Mozarts Tod der bedeutendste Komponist weit über Wien hinaus, und der extravagante Graf Ferdinand von Waldstein, dessen wichtigstes Verdienst es war, der extravagante Graf Ferdinand von Waldstein zu sein.
Joseph Haydn war 1790 nach fast drei Jahrzehnten treuer Dienste bei den Eisenstädter Esterházys in Pension geschickt worden. Deshalb konnte er ein Angebot des Geigers, Dirigenten und Impresarios Johann Peter Salomon annehmen: Haydn sollte in London eine Reihe von Konzerten leiten und dabei jeweils ein neues eigenes Werk aufführen, unter anderem sechs Sinfonien. Im Dezember 1790 verließen Haydn und Salomon Wien, um in die britische Hauptstadt zu reisen, und natürlich machten sie einige Tage in der Habsburger-Dependance Bonn Station. Obwohl Haydn immer in der Provinz gelebt und gearbeitet hatte, kannte er schon durch seine Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge zahlreiche Angehörige der Wiener High Society persönlich; er unterbrach die Reise deshalb gern für einen Besuch bei den österreichischen Freunden in Bonn. Für den dort geborenen Salomon war der Abstecher sogar eine Rückkehr zu den Wurzeln: Sein Vater Philipp Salomon war Oboist unter Kapellmeister Louis van Beethoven gewesen, sein Bruder und zwei Schwestern – die übrigens ihre Gesangsausbildung von Jean van Beethoven erhielten – haben ihr Leben lang der Kapelle des Kölner Kurfürsten angehört.
Haydn wurde in Bonn wie ein König empfangen. Nach der Aufführung einer seiner Messen gab der Kurfürst ein Diner für den gefeierten Komponisten und einige seiner Musikerkollegen. Salomon als guter Freund der Beethovens sorgte dafür, dass der junge Ludwig dem alten Meister vorgestellt wurde.[ 75 ] Bei einer zweiten Bonner Begegnung während Haydns Rückreise aus London im Juli 1792 legte Beethoven eine seiner Kantaten vor; danach fiel die Entscheidung, dass Beethoven im Herbst nach Wien kommen durfte, um bei Haydn Unterricht zu nehmen – Mozart war ja schon im Dezember 1791 gestorben.
Der Mann, der diese Unternehmung erst ermöglicht hat, war Graf Ferdinand Ernst Gabriel von Waldstein und Wartenberg zu Dux, zweifellos eine der farbigsten Figuren des Wiener Adelsmilieus. Dieser Exzentriker ging in die Geschichte ein, weil er außer Beethoven noch ein weiteres Genie unter seine Fittiche nahm: Giacomo Casanova. Als der berühmte Abenteurer am Ende seines
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