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Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Titel: Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Caeyers
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dissonante Vorschläge und erreichte ein Wechselspiel von «offenen» und «geschlossenen», «hellen» und «dunklen» Klängen. Es war eine einmalige Gelegenheit, sich das gesamte Vokabular des Horns anzueignen; in seiner späteren Orchestermusik, etwa im Trio des dritten Satzes der Eroica, wird er dankbar auf das hier Gelernte zurückgreifen.
    Für Beethoven und Punto wurde die Hornsonate ein Riesenerfolg. Wie die Allgemeine musikalische Zeitung berichtete, war das Publikum begeistert, der frenetische Applaus zwang die Virtuosen, das Stück vollständig zu wiederholen, trotz einer neuen Theaterordnung, die Da Capos und laute Beifallsäußerungen im Hoftheater verbot. Am 7. Mai folgte eine zweite Aufführung in Pest. Zu einer dritten kam es nicht mehr, angeblich wegen einer Auseinandersetzung zwischen Beethoven und Punto, bei der es um Frauen gegangen sein soll. Später haben sich die beiden wieder versöhnt und bei einem Wohltätigkeitskonzert, das die Sängerin Christine Gerhardi am 21. Januar 1801 veranstaltete, ein letztes Mal zusammen gespielt.
    Mit der Akademie am 2. April 1800 hatte Beethoven sich einen Ruf als Orchesterkomponist erworben, und bald erhielt er den Auftrag, die Musik zu dem Ballett Die Geschöpfe des Prometheus zu schreiben. Die Premiere war ursprünglich auf den 21. März 1801 angesetzt, wurde aber um eine Woche verschoben. Angeblich hatte Beethoven durch eine Erkrankung kostbare Zeit verloren, nicht unwahrscheinlich ist aber auch in diesem Fall, dass er seine Aufgabe allzu ernst genommen hatte. So wurde es jedenfalls von nicht wenigen Kritikern empfunden. Der Korrespondent der Zeitung für die elegante Welt äußerte die Ansicht, dass Beethoven «für ein Ballet zu gelehrt und mit zu wenig Rücksicht auf den Tanz schrieb […] Alles ist für ein Divertissement, was denn doch das Ballet eigentlich seyn soll, zu groß angelegt.»[ 122 ] Andere meinten, die Beteiligten hätten sich wohl schwergetan, für das Stück einen halbwegs überzeugenden Schluss zu finden. Nach Ansicht mancher Kritiker war nämlich der zweite Teil des Balletts dramatisch bedeutend schwächer als der erste, was dem Stück insgesamt schade. Das viel gelesene Journal des Luxus und der Moden bezeichnete den Schluss sogar als «mystischen Nonsens der Allegorie».[ 123 ] Beethoven gab dem Ballettmeister Salvatore Viganò die Schuld, der «seine sache nicht ganz zum besten gemacht» habe.[ 124 ]
    Dabei war Viganò keineswegs der erstbeste Ballettmeister. Dieser italienische Tänzer und Choreograph hatte zunächst in Madrid Karriere gemacht, unterstützt von seinem Onkel Luigi Boccherini. Später gastierte er mit seiner spanischen Ehefrau, der hinreißend schönen Tänzerin Maria Medina, in verschiedenen europäischen Städten; auch in Wien feierte er Erfolge. Als Hofintendant Braun sich 1799 mit sinkenden Zuschauerzahlen bei Opernaufführungen konfrontiert sah, hoffte er, dem Theaterbetrieb durch mehr Ballettproduktionen neuen Schwung zu geben; der beliebte, wenn auch umstrittene Viganò erhielt deshalb einen lukrativen Vierjahresvertrag.
    Das Wiener Theaterpublikum war in zwei Lager gespalten. Die eine Partei liebte das Ballett alten Stils, wie es der Hauschoreograph Antonio Muzarelli zu bieten hatte: technisch brillant, elegant und virtuos, aber auch inhaltslos und ohne Empfindung. Die andere schwärmte für das Handlungsballett (ballet d’action), das auf den französischen Tanz-Neuerer Jean Georges Noverre zurückging. Das war ein erzählender, dramatischer, expressiver und leidenschaftlicher Bühnentanz in prunkvollen Dekorationen und mit einer engeren Beziehung zur Musik. Viganò gehörte ursprünglich der zweiten Partei an, entwickelte aber allmählich seinen eigenen Tanzstil mit einer neuartigen Bewegungsdynamik, die sich noch mehr an den musikalischen Strukturen orientierte. Seine Ballette wurden dadurch abstrakter – sich bewegende Konstruktionen aus Körpern sozusagen –, auch weil traditionelle Kostüme fehlten. Viganò ließ seine Tänzerinnen in engen, hautfarbenen Trikots mit durchsichtigen, flatternden Röckchen oder Schleiern auftreten, so dass sie bei entsprechender Beleuchtung wie nackt erschienen. Die Wiener strömten in Massen zu den Vorstellungen, um dies mit eigenen Augen zu sehen und sich über so viel Respektlosigkeit gegenüber dem eigentlichen Hausherrn aufzuregen: dem Kaiser. Der aber nahm seinen Choreographen energisch in Schutz und begann eine Affäre mit Viganòs – inzwischen

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