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Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition)

Titel: Beethoven: Der einsame Revolutionär. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Caeyers
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künstlerischen Ambitionen durch schamlosen und zynischen Machtmissbrauch zu entschädigen trachtete. Wenn er überhaupt einen der Säle einem Außenseiter zur Verfügung stellte, versuchte er gern, ihm zu schaden, indem er gleichzeitig im anderen Saal eine Aufführung mit einem Publikumsmagneten stattfinden ließ. Selbst der berühmte Haydn musste die Kaiserin um Hilfe bitten, um einen günstigen Termin für die Uraufführung der Schöpfung zu bekommen. Johann Friedrich Reichardt schrieb über Braun:
«Nur der besondere Schutz des Hofes erklärt die Möglichkeit, daß ein Mann, ohne Sinn und Geschmack für die Kunst, in einer Stadt wie Wien, die sich gerade durch Leidenschaft für die Kunst der Musik und des Schauspiels besonders auszeichnet, Hof, Publikum und Künstler auf eine Weise tyrannisieren konnte, die sich manche andre kleine Stadt nicht würde gefallen lassen haben.»[ 113 ]
    In einem Brief an Breitkopf & Härtel klagte Beethovens Bruder Karl, dass Braun, «der bekanntlich ein dummer und roher Mensch ist, das Theater zu seiner [Beethovens] Akademie abgeschlagen, und es andern, äuserst mittelmäsigen Künstlern überlassen» habe.[ 114 ] Man kann sich vorstellen, dass Beethoven selbst ebenso dachte.
    Braun musste deshalb ein wenig unter Druck gesetzt werden, und die beiden einzigen Instanzen, die dies konnten, waren der Hof und Brauns Gattin. Diese übernahm Beethoven selbst; er hatte inzwischen einige Erfahrung darin, ältere Damen um den Finger zu wickeln, und brachte Frau von Braun auf seine Seite, indem er ihr die Klaviersonaten op. 14 widmete. Der Hof war das größere Problem, aber hier konnten die Deyms helfen. Mutter Brunsvik hatte noch allerlei Verbindungen aus ihrer Hofdamen-Zeit, und Joseph von Deym stand seit seinem Aufenthalt in Neapel in Kontakt mit Maria Theresia von Neapel-Sizilien, der zweiten Ehefrau Kaiser Franz’ II. Eine wichtige Rolle spielte außerdem die Herzogin von Giovane, eine alte sizilianische Bekannte. Diese Anstandsdame der jungen Erzherzogin Marie-Louise, der späteren Frau Napoleons, wohnte jahrelang bei den Deyms und veranstaltete dort ihre Hautevolee-Geselligkeiten, unter anderem Konzerte, bei denen sowohl Beethoven als auch Josephine spielten. So konnte sie als Mittlerin zwischen der Hofburg am Michaelerplatz und dem Haus der Deyms in der Rotenturmstraße auftreten. Als Beethoven Anfang Januar 1800 sein gerade komponiertes Septett in Es-Dur op. 20 der Kaiserin widmen wollte, verschaffte ihm die Hofdamen-Diplomatie die dafür notwendige Erlaubnis. Damals wäre es nämlich höchst unpassend und kontraproduktiv gewesen, einer so hochgestellten Persönlichkeit eine Komposition zu widmen, ohne vorher ihre Zustimmung einzuholen.
    Das Septett wurde außerordentlich populär, es erschien sofort in mehreren Bearbeitungen für andere Besetzungen. Beethoven hatte es ziemlich schnell und doch nach allen Regeln der Kunst komponiert; es stand in der langen Tradition des Divertimentos, hatte aber ein ganz eigenes, ein wenig dunkles Kolorit. Es enthielt viele moderne, spritzige Effekte, die es sehr publikumswirksam machten. Später sprach Beethoven abschätzig darüber und behauptete, damals habe er noch nicht gewusst, wie man ein solches Stück komponieren müsse. Laut Czerny soll er sogar gesagt haben, er könne es nicht leiden und ärgere sich über den allgemeinen Beifall, den es bekomme.[ 115 ] Aus beiden Aussagen spricht die Verlegenheit, die große Künstler so häufig angesichts von Werken aus ihren jüngeren Jahren empfinden. Bei Beethoven kam noch etwas anderes hinzu: Er konnte sich nur schwer vorstellen, dass Stücke, die vom Komponisten wie vom Hörer wenig Anstrengung fordern, große Werke sein könnten.[ 116 ]
    Zumindest war das Septett wie maßgeschneidert für die Widmungsempfängerin. Die junge Kaiserin Maria Theresia betrachtete das Leben nämlich als ein einziges, langes Divertimento, und obwohl sie eine ganz passable Sängerin war – bei einem Hofkonzert hat sie einmal sogar die Hanna aus Haydns Jahreszeiten gesungen –, scheint ihr Verständnis für die schönen Künste eher oberflächlich gewesen zu sein.[ 117 ] Beethovens Septett war ein Werk, das ihr wohl keine allzu großen Verständnisschwierigkeiten bereitete.
    Wie dem auch sei: Die Widmung verfehlte nicht ihre Wirkung; nach einem Marschbefehl aus der Hofburg machte Braun den Weg für Beethovens erste Akademie am 2. April 1800 frei. Beethoven wusste, was von ihm erwartet wurde, und zeigte seine

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