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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Königreich Saud war lebendiges Herz des Islam. Der Prophet war dort geboren. Die heiligen Städte Mekka und Medina lagen dort, und von diesem Ursprungsort aus hatte sich eine der größten religiösen Bewegungen der Welt ausgebreitet. Es ging weniger um Öl als um den Glauben. Saudi-Arabien gehörte zum sunnitischen Zweig und Iran zum schiitischen. Ryan waren einmal die Unterschiede erklärt worden, doch sie waren ihm damals so minimal erschienen, daß er sich keine Mühe gegeben hatte, sie sich einzuprägen. Das, sagte sich der Präsident jetzt, war töricht gewesen. Die Unterschiede waren groß genug, um zwei bedeutende Länder zu Feinden zu machen, und größer mußte eine Differenz gar nicht sein. Es ging nicht um Reichtum an sich. Es ging um eine andere Art Macht, die Art, die aus dem Verstand und dem Herzen erwächst – und von da zu etwas anderem führt. Öl und Geld machten den Kampf nur für Außenstehende interessanter.
    Viel interessanter. Die industrielle Welt war abhängig vom diesem Öl. Jeder Staat am Golf fürchtete den Iran ob seiner Größe, seiner hohen Einwohnerzahl und des religiösen Eifers seiner Bevölkerung. Die Sunniten fürchteten ein erkennbares Abgleiten vom rechten Weg des Islam.
    Alle anderen fürchteten sich davor, was mit ihnen geschehen würde, wenn ›Häretiker‹ die Kontrolle über die Region erlangten, denn der Islam ist ein umfassendes System von Glaubenslehren, das sich auf Rechtsprechung und Politik sowie jegliche andere Form menschlicher Betätigung erstreckt. Für den Muslim ist das Wort Gottes oberstes Gesetz. Für den Westen, daß seine Wirtschaft funktioniert. Für die Araber – der Iran ist kein arabisches Land – ist es die grundlegendste Frage: die Stellung eines Mannes vor seinem Gott.
    »Ja, Mr. President«, sagte Prinz Ali bin Sheik nach einer Weile, »sie werden etwas unternehmen.«
    Seine Stimme war bewundernswert ruhig, doch Ryan spürte, daß er innerlich alles andere war. Die Saudis hatten nie gewollt, daß der Präsident des Irak stürzte. Feind, der er war, Abtrünniger, der er war, Aggressor, der er war, hatte er für die Nachbarn doch einen nützlichen strategischen Zweck erfüllt. Der Irak diente lange als Puffer zwischen den Golfstaaten und dem Iran. In diesem Fall spielte Religion zweite Geige zur Politik, was wiederum einen religiösen Zweck erfüllte. Durch Abkehr vom Worte Allahs hatte der Irak seine mehrheitlich schiitische Bevölkerung aus dem Spiel genommen, und die zweifache Grenze mit Kuwait und dem Königreich war eher politisch denn religiös. Doch wenn die Ba'ath-Partei mit ihrem Führer fiel, würde der Irak zu einem von der religiösen Mehrheit bestimmten Leben zurückkehren. Dann würde ein schiitisches Land an dieser Grenze entstehen, und Führer des schiitischen Zweiges des Islam war der Iran.
    Der Iran würde etwas unternehmen, denn das tat der Iran schon seit Jahren. Die Religion, die von Mohammed geprägt worden war, hatte sich von der Arabischen Halbinsel bis nach Marokko im Westen und zu den Philippinen im Osten ausgebreitet und war durch die Entwicklung der modernen Welt in jedem Land der Erde vertreten. Der Iran hatte seine große Bevölkerung und seinen Reichtum dazu genutzt, führende islamische Nation zu werden, indem er muslimische Geistliche zum Studium in seine eigene heilige Stadt Ghom brachte, indem er politische Bewegungen überall in der islamischen Welt finanzierte und indem er islamische Völker, die Hilfe benötigten, mit Waffen versorgte – die bosnischen Muslime waren ein solcher Fall und keinesfalls der einzige.
    »Anschluß«, dachte Adler laut. Prinz Ali sah ihn an und nickte.
    »Haben wir einen Plan, das zu verhindern?« fragte Jack. Er kannte die Antwort. Nein, niemand hatte einen. Darum war auch der Golfkrieg nur mit begrenztem militärischem Ziel geführt worden, zu dem keinesfalls die Vernichtung des Aggressors gehört hatte. Die Saudis, die von Anfang an die strategischen Ziele des Krieges festgelegt hatten, hatten es Amerika und den Verbündeten nie gestattet, auch nur darüber nachzudenken, nach Bagdad vorzustoßen, und das trotz der Tatsache, daß durch den Einsatz der irakischen Armee in und um Kuwait die irakische Hauptstadt so ungeschützt war wie ein Nudist am Strand. Ryan hatte sich damals, beim Verfolgen der Diskussionen in Nachrichtensendungen, gewundert, daß kein einziger der Kommentatoren bemerkte, ein regulärer Feldzug hätte Kuwait gänzlich ignoriert, Bagdad eingenommen und dann

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