Befehl von oben
für das EKG, und er war überrascht, wie gut ihr Herz noch arbeitete. Gut. Der Blutdruck war niedrig, wie erwartet, und er ordnete an, zwei Einheiten Vollblut an den Transfusionsständer zu hängen. Je mehr Blut, desto besser.
Die Pfleger waren gut gedrillt. Alles, was mit der Patientin hereingekommen war, war bereits in Plastikbeutel gesteckt worden und dann noch in einen zweiten. Einer trug das Bündel aus dem Zimmer und zum gasbefeuerten Verbrennungsofen, wo nichts zurückblieb als sterilisierte Asche. Die Hauptaufgabe hier war die Beherrschung des Virus. Die Patientin war ihr Nährboden. Bisher waren solchen Patienten ein paar Kubikzentimeter Blut zur Analyse entnommen worden, nach einiger Zeit war der Patient dann gestorben und die Leiche entweder verbrannt oder mit Chemikalien eingesprüht und begraben worden. Diesmal nicht. Er hatte die jemals größte Menge des Virus unter seiner Kontrolle, und von diesen würde er noch mehr züchten, alle tödlich, alle stark.
Er wandte sich ab.
»So, Moudi, wie hat sie sich infiziert?«
»Sie hat den Index-Patienten behandelt.«
»Den Negerjungen?« fragte der Direktor.
Moudi nickte. »Ja.«
»Was hat sie falsch gemacht?«
»Wir haben es nie herausgefunden. Ich habe sie gefragt, als sie noch bei klarem Verstand war. Sie hat dem Jungen keine Injektion gegeben, war immer sehr vorsichtig mit allem Spritzen. Sie war eine erfahrene Krankenschwester«, berichtete Moudi mechanisch. Er war wirklich zu müde für etwas anderes, als zu berichten, was er wußte. »Sie hatte schon vorher mit Ebola zu tun gehabt, in Kikwit und anderen Orten. Sie hat das medizinische Personal dort in der Behandlung unterwiesen.«
»Übertragung durch die Luft?« fragte der Direktor. Das zu hoffen wäre zuviel.
»In den CDC in Atlanta hält man dieses Virus für den Subtyp Ebola-Mayinga. Sie erinnern sich, der Stamm wurde nach einer Schwester benannt, die sich die Krankheit auf unbekanntem Wege zuzog.«
Bei der Bemerkung schaute der Direktor Moudi fest in die Augen.
»Sie sind sich ganz sicher bei dem, was Sie gesagt haben?«
»Im Augenblick bin ich mir gar nichts sicher, aber ich habe mit anderem Klinikpersonal gesprochen, demzufolge hat der Index-Patient alle Injektionen von anderen bekommen, nicht von der Schwester hier. Geht man davon aus, ja, könnte es ein Fall von Übertragung auf dem Luftweg sein.«
Das war ein klassischer Fall einer guten und einer schlechten Nachricht. Sowenig wußte man über Ebola. Es war bekannt, daß der Erreger nur durch Blut oder andere Körperflüssigkeiten übertragen wurde, auch durch sexuellen Kontakt – rein theoretisch, denn ein Ebola-Fall wäre kaum zu solchen Praktiken in der Lage. Weiter wurde angenommen, daß das Virus einen lebenden Wirt kaum verließ, da ging er im Freien rasch ein. Deshalb glaubte man nicht, daß die Seuche durch die Luft verbreitet werden konnte, wie etwa Lungenentzündung oder gängigere Infekte. Gleichzeitig aber gab es bei jedem Ausbruch Fälle, für die sich keine Erklärung finden ließ. Die unglückselige Schwester Mayinga hatte einem Stamm dieses Erregers ihren Namen gegeben, der auf unbekanntem Weg nach ihrem Leben gegriffen hatte. Hatte sie gelogen oder etwas verschwiegen oder vergessen, oder hatte sie ihr Gedächtnis durchforscht und die Wahrheit gesagt und so einem Subtyp von Ebola ein Denkmal gesetzt, der in der Luft lange genug überlebte, um ebenso leicht übertragen zu werden wie die gewöhnliche Erkältung? Wenn dem so war, wäre die Patientin vor ihnen das Vehikel einer biologischen Waffe solchen Ausmaßes, daß er damit die ganze Welt erschüttern könnte.
Eine solche Möglichkeit bedeutete aber auch, daß sie selber mit dem Tode spielten. Der geringste Fehler könnte tödlich sein. Ohne bewußt darüber nachzudenken, schaute der Direktor hinauf zur Klimaanlage.
Bei der Konstruktion dieses Gebäudes hatte man genau diese Eventualität mitberücksichtigt. Die zugeführte Luft war vollkommen sauber. Sie wurde am Ende eines zweihundert Meter langen Rohrsystems angesaugt. Die abgeführte Luft aus den »heißen« Zonen passierte eine Plenunikammer, bevor sie das Gebäude verließ. Dort wurde sie gleißender ultravioletter Strahlung ausgesetzt, denn die zerstörte Viren absolut verläßlich. Die Luftfilter waren zum gleichen Zweck mit Chemikalien getränkt – Phenol unter anderem. Erst dann wurde die Luft nach draußen entlassen, wo Umweltbedingungen herrschten, die dem Erreger auch keine Überlebenschance
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