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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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werde ich die besten Richter suchen, die ich finden kann. Das ist etwas, wo wir uns kurz fassen können. Die Verfassung ist eine Art Bibel für die Vereinigten Staaten von Amerika, und die Richter des Supreme Court sind sozusagen die Theologen, die entscheiden, wie sie auszulegen ist. Von ihnen wird nicht erwartet, eine neue Bibel zu schreiben. Von ihnen wird erwartet, herauszufinden, was sie bedeutet. Wenn eine Verfassungsänderung notwendig werden sollte, haben wir einen Mechanismus, um das zu bewerkstelligen, und den haben wir schon über zwanzigmal benutzt.«
    »Sie werden also nur strikte Konstruktionisten aussuchen, die höchstwahrscheinlich gegen Roe sind.«
    Es war, wie gegen eine Wand anzurennen. Ryan hielt merklich inne, ehe er antwortete. »Ich hoffe, die besten Richter auszuwählen, die ich finden kann. Ich werde sie nicht nach einzelnen Gesichtspunkten befragen.«
    Der Boston Globe sprang auf die Füße. »Mr. President, wenn aber nun das Leben der Mutter in Gefahr ist, die katholische Kirche …«
    »Die Antwort darauf ist ganz eindeutig. Das Leben der Mutter geht vor.«
    »Aber die Kirche hat gesagt …«
    »Ich spreche nicht für die katholische Kirche. Und wie ich schon sagte, ich kann nicht das Gesetz brechen.«
    »Aber Sie möchten, daß das Gesetz geändert wird«, beharrte der Globe.
    »Ja. Ich glaube, es wäre für jeden besser, wenn diese Angelegenheit den gesetzgebenden Körperschaften der einzelnen Staaten übertragen würde. Auf diese Weise könnten die von den Leuten gewählten Vertreter die Gesetze formulieren, und zwar in Übereinstimmung mit dem Willen ihrer Wähler.«
    »Aber dann«, führte der San Francisco Examiner aus, »könnten wir ein heilloses Durcheinander von Gesetzen quer durch das ganze Land bekommen, und in einigen Gegenden könnte der Abbruch illegal werden.«
    »Nur, wenn die Wähler es so wollen. So funktioniert eben Demokratie.«
    »Und was soll aus den armen Frauen werden?«
    »Das kann ich nicht sagen«, erwiderte Ryan, der allmählich das Gefühl von Zorn in sich aufkommen spürte und sich fragte, wie er überhaupt in diese Sache hineingeraten ist.
    »Sie sind also für einen Zusatz zur Verfassung, der den Schwangerschaftsabbruch verbietet?« wollte die Atlanta Constitution wissen.
    »Nein, ich glaube nicht, daß das eine Verfassungsfrage ist. Ich halte das für eine reine Frage der Gesetzgebung.«
    »Also«, faßte die New York Times zusammen, »Sie sind persönlich gegen den Abbruch, aus moralischen und religiösen Gründen, aber Sie wollen sich nicht in die Frauenrechte einmischen; in den neuen Supreme Court planen Sie, konservative Richter zu ernennen, die vermutlich Roe umstoßen werden, aber Sie unterstützen keine Verfassungsergänzung zur Beschränkung der Entscheidungsfreiheit der Frauen.« Der Reporter lächelte. »Was genau glauben Sie in dieser Frage, Sir?«
    Ryan schüttelte den Kopf, kniff die Lippen zusammen und schluckte die erste Version einer Antwort auf diese Impertinenz hinunter. »Ich dachte, das hätte ich gerade klargemacht. Wollen wir nicht zu etwas anderem übergehen?«
    »Vielen Dank, Mr. President!« rief der Doyen laut, nach verzweifelten Gesten von Arnold van Damm. Verwirrt verließ Ryan das Podium, ging um die Ecke und dann um noch eine, bis er außer Sicht war. Der Stabschef packte den Präsidenten am Arm und stieß ihn beinahe gegen die Wand, und diesmal rührte der Secret Service keinen Muskel.
    »Jack! Sie haben soeben das ganze Land vor den Kopf gestoßen.«
    »Was meinen Sie damit?« erwiderte der Präsident.
    »Ich meine, man füllt kein Benzin in sein Auto mit einer brennenden Zigarette im Maul, gottverdammt! Haben Sie denn gar keine Ahnung, was Sie gerade getan haben?« Arnie konnte sehen, daß das tatsächlich der Fall war. »Die Entscheidungsrechtler glauben jetzt, daß Sie ihnen ihre Rechte nehmen wollen. Die Lebensrechtler meinen, daß Sie ihre Ansicht überhaupt nicht kümmert. Das war vollkommen perfekt, Jack.
    Sie haben es sich innerhalb von fünf Minuten mit dem ganzen verdammten Land verscherzt!« Van Damm stürzte davon und ließ den Präsidenten vor dem Cabinet Room stehen aus Angst, er könnte die Beherrschung verlieren.
    »Wovon redet er denn überhaupt?« fragte Ryan. Die Secret-Service-Agenten sagten keinen Ton. Erstens war Politik nicht ihr Gebiet, und zweitens waren sie in dieser Frage genauso gespalten wie das ganze Land.
    Es war, wie einem Kind Süßigkeiten wegzunehmen. Nach dem ersten Schock weinte das

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