Befehl von oben
er sicher sein, daß sie jetzt schmerzfrei war. Das Morphium würde nun richtig in ihrem weniger werdenden Blut verteilt sein, und diese Moleküle ihren Weg ins Gehirn finden, sich in die Rezeptoren einpassen und dort Dopamin freisetzen, das dem Nervensystem sagen würde … ja.
Ihr Brustkorb hob und senkte sich mit der Atmung. Da war eine Unterbrechung, beinahe wie ein Schluckauf, und dann setzte das Atmen wieder ein, ging jetzt aber unregelmäßig, und so gelangte immer weniger Sauerstoff in den Blutstrom. Die Herzfrequenz veränderte sich, wurde noch schneller. Dann wurde die Atmung flacher. Das Herz setzte nicht aus, so kräftig war es, so tapfer, dachte der Doktor traurig und diesen nicht sterbenden Teil eines Menschen bewundernd, der bereits tot war, doch das konnte nicht lange dauern, und mit ein paar letzten Ausschlägen auf dem Bildschirm setzte schließlich auch seine Funktion aus. Das EKG-Gerät begann, einen stetigen Alarmton von sich zu geben.
Moudi schaltete es ab. Als er sich umwandte, sah er die beiden Sanitäter einen Blick der Erleichterung austauschen. »So bald?« fragte der Direktor, der hereinkam und die flache EKG-Linie sah.
»Das Herz. Inneres Bluten.« Mehr brauchte Moudi nicht zu sagen.
»Ich verstehe. Wir sind dann also bereit?«
»Korrekt, Doktor.«
Der Direktor gab den beiden Pflegern ein Zeichen, die hier jetzt eine letzte Arbeit zu verrichten hatten. Einer band die Plastikdecken hoch, damit sich eventuelle Tropfen darin hielten. Der andere entfernte den letzten Tropf und die EKG-Elektroden. Das war schnell erledigt, und als die bisherige Patientin eingewickelt war wie ein großes Stück Schlachtfleisch, wurden die Bremsen der Räder gelöst, und die beiden Soldaten schoben sie zur Tür hinaus. Sie würden zurückkommen, um den Raum so peinlich zu säubern, daß absolut nichts an den Wänden, dem Boden und der Decke leben konnte.
Moudi und der Direktor folgten ihnen zum ›Post‹, einem Raum im selben hermetisch abgeschotteten Bereich hinter der doppelten Tür.
Hier befand sich ein Autopsietisch aus glattem, kaltem, rostfreiem Stahl.
Sie schoben das Krankenbett genau daneben, deckten den Leichnam auf und wälzten ihn auf den Stahl, so daß er mit dem Gesicht nach unten zum Liegen kam. Während die beiden Ärzte von einer Ecke aus zusahen, zogen sich die beiden Sanitäter Operationskittel über die Schutzanzüge – mehr aus Gewohnheit denn aus Notwendigkeit. Als nächstes wurden die Plastiklaken vom Bett genommen, angehoben an den Ecken, um eine U-Form zu bilden, so daß das darin befindliche Blut in einen Behälter gegossen werden konnte. Etwa ein halber Liter, schätzten die Ärzte. Vorsichtig wurden die Laken dann zum großen Abfallbehälter getragen. Die Sanitäter stopften sie hinein und brachten die Behälter dann zur Verbrennungsanlage. Nervös, wie sie waren, hatte es nicht den Anschein, als hätten sie irgendwo einen Tropfen vergossen.
»Sehr gut!« Der Direktor drückte auf einen Knopf, und der Tisch hob sich etwas. Aus langjähriger Routine berührte er mit den Fingerspitzen die linke Halsschlagader, um sicherzugehen, daß kein Puls da war, dann die rechte, wo ebenfalls nichts zu spüren war. Nachdem er die Tischplatte dann schräggestellt hatte, auf zwanzig Grad, nahm er ein großes Skalpell und schnitt beide Arterien durch, zusammen mit den parallelen Drosselvenen. Das Blut strömte heraus auf den Tisch, aus dem Körper gezogen von der Schwerkraft, in Rillen geleitet, die zu einem Rohr führten; so wurden vier Liter Blut in einem Plastikkanister aufgefangen.
Entsprechend schnell wurde die Leiche bleich, wie Moudi sah. Augenblicke vorher war die Haut noch rot und purpur gesprenkelt gewesen.
Vor seinen Augen schien sie zu verbleichen. Ein Laborant kam den Blutkanister holen, den er auf einen kleinen Wagen stellte. Niemand wollte so etwas tragen, nicht einmal ein kurzes Stück.
»Ich habe noch nie ein Ebola-Opfer obduziert«, stellte der Direktor fest. Nicht, daß das eine normale Obduktion gewesen wäre, bei der Sorgfalt, die der Direktor dem entschwundenen Menschsein der Patientin soeben erwiesen hatte. Er hatte sie derart ausbluten lassen, daß man hätte meinen können, er habe ein Lamm geschlachtet.
Sie mußten immer noch sehr vorsichtig sein. In Fällen wie diesem arbeitete nur ein Paar Hände im chirurgischen Bereich, und Moudi ließ das den Direktor tun, der grobe, weite Einschnitte machte. Die Haut- und Muskellappen wurden mit rostfreien Wundhaken und
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