Befehl von oben
Wundspreizern zurückgezogen. Die setzte Moudi an, wobei er das Skalpell in den behandschuhten Händen des Direktors nicht aus den Augen ließ. Innerhalb einer Minute war die linke Niere völlig freigelegt. Sie warteten darauf, daß die Sanitäter wiederkamen. Einer von ihnen stellte eine Schale neben den Kadaver auf den Tisch. Bei dem, was Moudi dann sah, drehten sich ihm fast die Eingeweide um. Ein Effekt des Ebola-Virus und des Krankheitsverlaufs war, daß das Gewebe zerstört wurde. Die freigelegte Niere war halb verflüssigt, und als der Direktor hinlangte, um das Organ herauszunehmen, ging es kaputt – zerfiel in zwei Stücke wie ein schrecklicher rotbrauner Pudding. Der Direktor regte sich über sich selber auf. Er hatte gewußt, was er zu erwarten hatte, aber nicht daran gedacht.
»Bemerkenswert, was mit den Organen geschieht, nicht wahr?«
»Ich erwarte dasselbe von der Leber, aber die Milz …«
»Ja, ich weiß, die Milz wird hart wie ein Ziegelstein sein. Achten Sie auf Ihre Hände, Moudi«, warnte ihn der Direktor. Er nahm einen frischen Retraktor – das Instrument war ähnlich geformt wie eine Schaufel – und entfernte damit die Nierenreste. Die kamen auf die Schale. Er nickte, und der Sanitäter schaffte es ins Labor. Bei der rechten Niere ging es besser. Nachdem alle Muskeln und Blutgefäße durchtrennt waren, benutzten auf Beharren des Direktors beide Ärzte ihre Hände, um sie gemeinsam herauszunehmen, und diese blieb ziemlich intakt – bis sie auf der Schale landete. Das Organ wurde deformiert und platzte auf. Das gute an der Sache war nur, daß die Weichheit des Gewebes ihren doppelten Handschuhen nichts anhaben konnte. Doch das hielt die beiden Ärzte nicht davon ab, zu erschaudern.
»Hier!« Der Direktor schnippte mit den Händen, damit die beiden Sanitäter herkamen. »Drehen Sie sie um!«
Sie taten es, indem der eine sie bei den Schultern packte und der andere an den Knien, und mit Schwung wendeten sie sie. Dabei spritzte Blut und etwas Gewebe an ihre Stoffkittel. Die Soldaten zogen sich zurück, soweit sie konnten.
»Ich möchte Leber und Milz, das ist alles«, sagte der Direktor zu Moudi und blickte hoch. Dann wandte er sich an die beiden Soldaten.
»Anschließend werden Sie sie einwickeln und in die Verbrennungsanlage bringen. Dieser Raum muß dann gründlich desinfiziert werden.«
Schwester Jean Baptistes Augen waren offen, genauso blicklos wie vor dreißig Minuten. Der Doktor nahm ein Tuch und bedeckte das Gesicht. Dabei murmelte er ein Gebet, was der Direktor hörte.
»Ja, Moudi, sie ist zweifellos im Paradies. So, sollen wir weitermachen?« fragte er brüsk. Er machte den üblichen Y-förmigen Einschnitt, um den Brustkorb zu öffnen, tief und grob wie zuvor. Rasch löste er Schicht um Schicht, eher wie ein Schlächter als ein Arzt. Was sie da sahen, schockierte sogar den Direktor. »Wie hat sie so nur so lange leben können …?« stöhnte der Mann.
Moudi erinnerte sich an seine Studienzeit und sah in Gedanken das lebensgroße Plastikmodell des menschlichen Körpers vor sich. Es war, als hätte jemand das Modell genommen und einen Eimer starken Lösungsmittels hineingegossen. Jedes freigelegte Organ war verformt. Die oberste Gewebeschicht von jedem war … aufgelöst. Der Bauch war ein Meer von schwarzem Blut. Alles, was sie hineingefüllt hatten, dachte Moudi … nicht einmal die Hälfte davon war ausgelaufen. Erstaunlich.
»Absaugen!« befahl der Direktor. Einer der Sanitäter erschien neben ihm mit einem Plastikschlauch, der in eine Vakuumflasche führte. Das Geräusch, das entstand, war obszön. Der Prozeß dauerte volle zehn Minuten. Die Ärzte waren ein Stück zurückgetreten, während der Soldat mit dem Sauggerät herumhantierte wie ein Hausmädchen mit dem Staubsauger. Noch einmal drei Liter kontaminiertes, virusreiches Blut für das Labor.
Der Körper galt als Tempel des Lebens, wie der heilige Koran lehrte.
Moudi blickte auf einen, transformiert in – was? Eine Todesfabrik. Der Direktor machte weiter, und Moudi sah zu, wie seine Hände die Leber herausholten, vorsichtiger als zuvor. Vielleicht war er vor dem Blut im Bauch erschrocken. Der Direktor legte die Instrumente weg, und ohne darum gebeten worden zu sein, griff Moudi mit zu, um das Organ herauszunehmen und auf die Schale zu legen, die wiederum einer der Soldaten wegtrug.
»Ich frage mich, wieso die Milz sich so ganz anders verhält.«
Eine Etage tiefer waren weitere Sanitätssoldaten bei der
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