Befehl von oben
so waren sie, diese Märtyrer. Diese Schwachköpfe mußten eben allein denken, allein handeln, allein sterben; und ihr persönlicher Erfolg barg zugleich grundlegendes Versagen.
Oder doch nicht?
Immerhin waren die Nachwehen ja längst nicht zu Ende …
*
»Mr. President?«
Ein Beamter vom Secret Service hatte den Hörer abgenommen. Normalerweise wäre das eine Navy-Charge gewesen, doch das Sicherheitskommando des White House stand einfach noch zu sehr unter Schock, um einen jeden in den Lagebesprechungsraum zu lassen.
»FBI, Sir.«
Ryan zog das Telefon aus der Halterung unter der Tischplatte.
»Ja?«
»Hier Dan Murray.«
Vor Freude, eine vertraute Stimme zu hören und eine freundliche obendrein, mußte Jack fast lächeln. Er und Murray kannten sich schon eine Ewigkeit. Am anderen Ende hätte Murray sicher am liebsten ›Hi, Jack!‹ sagen mögen, doch er tat es nicht, und selbst wenn ihn Jack dazu aufgefordert hätte, wäre ihm sicher nicht ganz wohl dabei gewesen, und er hätte sich dem Risiko ausgesetzt, in der eigenen Organisation für einen Arschkriecher gehalten zu werden. Noch ein Hindernis gegen die Normalität, sagte sich Jack. Selbst seine Freunde gingen jetzt auf Distanz.
»Was gibt's denn, Dan?«
»Tut mir leid, stören zu müssen, aber wir hätten gern gewußt, wer die Ermittlungen leiten soll. Im Augenblick rennt ein Haufen Leute ziellos auf dem Hill herum, und …«
»Eigenes Kommando«, bemerkte Jack sauer.
Er mußte nicht danach fragen, warum Murray ihn anrief.
Jeder, der diese Frage auf einer niedrigeren Ebene hätte entscheiden können, war tot.
»Was sagt das Gesetz für diesen Fall?«
»Im Grunde nichts«, erwiderte Murray. Das Unbehagen in seiner Stimme war unverkennbar. Er wollte den Mann nicht belästigen, der einmal sein Freund gewesen und vielleicht auch noch war, unter weniger offiziellen Umständen. Aber dies war Firmensache und mußte erledigt werden.
»Mehrfachzuständigkeit?«
»Bis zum Abwinken«, bestätigte Murray mit ungesehenem Nicken.
»Ich glaube, dies ist als terroristischer Anschlag zu bezeichnen. Damit kennen wir uns doch aus, du und ich, nicht wahr?« fragte Jack.
»Das tun wir, Sir.«
Sir , dachte Ryan.
Verdammt .
Doch er hatte eine Entscheidung zu treffen. Jack warf einen Blick in die Runde, ehe er antwortete.
»Das Bureau ist dafür die zuständige Behörde. Jeder ist dir berichtspflichtig. Such dir als Leiter einen guten Mann aus.«
»Ja, Sir.«
»Dan?«
»Ja, Mr. President?«
»Wer ist Ranghöchster beim FBI?«
»Der Associate Director ist Chuck Floyd. Er befindet sich gerade in Atlanta, um einen Vortrag zu halten, und …« Dann gab es da noch die Assistant Directors, alle dienstälter als Murray …
»Den kenn' ich nicht. Dich schon. Du bist kommissarischer Direktor, bis ich etwas anderes bestimme.«
Ryan spürte sofort die Erschütterung am anderen Ende der Leitung.
»Uh, Jack, ich …«
»Ich habe Shaw auch gemocht, Dan. Den Job hast jetzt du .«
»Ja, Mr. President.«
Ryan legte den Hörer auf und erklärte, was er gerade getan hatte.
Price widersprach als erste: »Sir, ein Angriff auf den Präsidenten fällt in die Zuständigkeit von …«
Ryan unterbrach sie: »Die haben mehr Ressourcen, und jemand muß das Kommando führen. Ich möchte diese Angelegenheit so schnell wie möglich geklärt haben.«
»Wir brauchen eine Sonderkommission.« Es war Arnie van Damm, der das sagte.
»Von wem geleitet?« fragte Präsident Ryan. »Einem Richter des Supreme Court? Ein paar Senatoren und Kongreßabgeordneten? Murray ist ein echter Profi. Ein guter … Der Ranghöchste in der Kriminalabteilung des Justizministeriums soll die Ermittlungen beaufsichtigen. Andrea, machen Sie mir den besten Ermittlungsbeamten vom Service ausfindig: Er soll Murrays Hauptassistent sein. Auf irgendwelche Leute von außen sind wir doch nicht angewiesen, oder? Das erledigen wir selbst. Wir wählen dafür die besten Leute aus. Vertrauen wir doch den Behörden, die den Fall aufklären sollen.«
Er hielt inne.
»Ich will, daß die Ermittlung flott läuft, Okay?«
»Jawohl, Mr. President.«
Agent Price nickte, und Ryan erhaschte auch von Arnie van Damm ein zustimmendes Nicken. Doch die Zufriedenheit währte nur kurz. Vor der hinteren Wand stand eine Reihe von Fernsehgeräten. Alle zeigten weitgehend das gleiche Bild, und das Gleißen vom Blitz eines Fotografen auf allen vier Bildschirmen zog den Blick des Präsidenten an. Er schaute hin und sah viermal, wie
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