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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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muß ich bei den zuständigen Stellen nachprüfen.«
    »Doktor, ich muß Meldung machen«, beharrte MacGregor. »Es ist ein möglicher Ausbruch und …«
    »Nein.« Der Beamte schüttelte den Kopf. »Erst müssen wir mehr wissen. Wenn wir Meldung machen, wenn überhaupt, müssen wir vorerst alle notwendigen Informationen so beisammenhaben, daß sie für eine Warnung sinnvoll genützt werden können.«
    »Aber …«
    »Aber das liegt in meiner Verantwortung, und es ist meine Pflicht, darauf zu achten.« Er deutete mit dem Blatt auf den Patienten. Seine Hand zitterte nicht mehr, da er nun die Vollzugsgewalt über diesen Fall übernommen hatte. »Hat er Familie? Wer kann uns mehr über ihn sagen?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich werde das herausfinden«, sagte der Amtsarzt. »Lassen Sie Ihre Leute Kopien von allen Berichten machen und schicken sie die sofort zu mir.« Nach dieser strengen Anweisung fühlte sich der Vertreter der Gesundheitsbehörde, als hätte er seine Pflicht für seinen Beruf und sein Land erfüllt.
    MacGregor nickte. In solchen Augenblicken haßte er Afrika. Sein Land war ein Jahrhundert hiergewesen. Ein anderer Schotte namens Gordon war zum Sudan gelangt, hatte sich darin verliebt – war der Mann irre? fragte sich MacGregor – und war in dieser Stadt vor 120 Jahren gestorben. Sudan wurde zum britischen Protektorat, und man hatte ein Infanterieregiment aufgezogen, das unter britischem Befehl gut gekämpft hatte. Den Sudan hatte man zu rasch in die Selbständigkeit geworfen – ohne Zeit und Geld zur Schaffung der institutionellen Infrastruktur, die eine Stammeswildnis zu einer lebensfähigen Nation gemacht hätte. Überall auf dem ganzen Kontinent war es dieselbe Geschichte, und die afrikanischen Völker zahlten immer noch den Preis für diesen Bärendienst. Das gehörte zu den Dingen, die weder er noch ein anderer Europäer laut aussprechen konnte, außer wenn sie unter sich waren – manchmal nicht einmal dann –, aus Angst, ein Rassist genannt zu werden. Aber wenn er ein Rassist war, warum war er dann hergekommen?
    »Sie werden alles in zwei Stunden haben.«
    »Sehr gut.« Der Beamte schritt aus der Tür. Die Oberschwester dieser Abteilung würde ihn zum Desinfektionsraum bringen, und da würde der Beamte sich wie ein Kind unter dem strengen Auge seiner Mutter allen Anordnungen fügen.
    *
    Pat Martin trat mit einer vollgestopften Aktentasche herein, der er vierzehn Mappen entnahm, die er in alphabetischer Reihenfolge auf dem Teetisch auslegte. Sie waren von A bis M beschriftet, denn Präsident Ryan hatte extra darum gebeten, daß er erst mal keine Namen erfuhr.
    »Wissen Sie, ich würde mich sehr viel besser fühlen, wenn Sie mir nicht diese Macht gegeben hätten«, sagte Martin, ohne aufzublicken.
    »Warum denn?« wollte Jack wissen.
    »Ich bin nur Strafverfolger, Mr. President. Sicher ein ganz guter, und nun leite ich die Strafkammer, das ist auch fein, aber ich bin nur …«
    »Was glauben Sie, wie ich mich fühle?« meinte Ryan. »Seit George Washington hat niemand mehr diese Aufgabe aufgebrummt bekommen, und wieso denken Sie, daß ich wüßte, was ich tun soll? Zum Teufel, ich bin nicht einmal Anwalt und kann das Zeug ohne Spickzettel gar nicht verstehen.«
    Martin sah mit einem matten Lächeln auf. »Okay, das hab' ich verdient.«
    Ryan hatte die Kriterien festgelegt. Vor ihm befand sich eine Liste der obersten Beamten amerikanischer Bundesjustiz. Jedes der vierzehn Dossiers enthielt den beruflichen Werdegang eines amerikanischen Richters an Appellatsgerichten von Boston bis Seattle. Der Präsident hatte Martin gebeten, Richter auszuwählen, die mindestens zehn Jahre Erfahrung und mindestens fünfzig wichtige schriftliche Urteilsbegründungen vorzuweisen hatten. Diese Begründungen durften vom Obersten Gerichtshof nicht widerrufen sein – oder wenn eine oder zwei widerrufen worden waren, dann mußten sie durch eine spätere Berufung in Washington wieder aufgehoben worden sein.
    »Das ist ein guter Haufen«, sagte Martin.
    »Todesstrafe?«
    »Die Verfassung gestattet sie spezifisch. Fünfter Zusatz: ›Noch soll eine Person in der gleichen Sache je zweimal in Gefahr für Glieder oder Leben gestellt werden; noch gezwungen werden, in einem Krimmalfall gegen sich selbst auszusagen, noch an Leben, Freiheit oder Besitz beeinträchtigt werden ohne ordentliches Verfahren.‹ Also mit ordentlichem Verfahren darf man einem das Leben nehmen, ihn aber nur einmal verurteilen. Das Gericht

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