Befehl von oben
bearbeitet. Einer der Agenten war im Tiefgeschoß am Dscherschinksi-Platz 2 hingerichtet worden, nachdem er von einem KGB-Maulwurf in Langley verpfiffen worden war. Der andere besaß eine kleine Farm in der birkenbestandenen Landschaft im Norden New Hampshires und wünschte sich, er könnte heimkehren – aber Rußland hatte eine strenge Haltung gegenüber Hochverrätern. Solche Leute waren für immer Waisen – Clark blätterte um und trug aus seinen Notizen vor.
»Sie werden Menschen mit Problemen aussuchen. Sie werden diese Probleme nachempfinden können. Die Leute, die Sie bearbeiten, sind nicht vollkommen. Sie werden alle ihre Beschwerden haben. Einige werden zu Ihnen kommen. Sie müssen sie nicht lieben, aber Sie müssen loyal zu ihnen sein.
Was meine ich mit Verführung? Sie hören mehr zu und reden weniger. Sie nicken. Sie pflichten bei. ›Sie sind auf jeden Fall schlauer als Ihr Chef – ich kenne solche Leute, wir haben selbst so einen Trottel in unserer Regierung. Ich selbst hatte auch mal so einen Depp von Chef. In so einer Regierung ist es schwer, ehrenhaft zu bleiben, nicht wahr?‹ Sie wissen, wieviel die Ehre zählt.
Wenn jemand das sagt, dann wissen Sie, er will Geld. Das ist okay«, sagte ihnen Clark. »So einer erwartet nie soviel, wie er verlangt. Wir verfügen über genügend Geld, um alles zu zahlen, was einer will – aber wichtig ist, so jemand an den Haken zu kriegen. Wer seine Unschuld verloren hat, der bekommt sie nie wieder zurück.
Ihre Agenten, die Leute, die Sie heranziehen, werden nach ihrer Tätigkeit süchtig werden. Es macht Spaß, Spion zu sein. Selbst die ideologisch saubersten Menschen, die Sie rekrutieren, werden hin und wieder mal kichern, weil sie etwas wissen, was sonst niemand weiß.
Bei allen wird irgend etwas faul sein. Die Idealistischsten sind oft die Schlimmsten. Sie kriegen Schuldgefühle. Sie trinken. Manche gehen sogar zur Beichte – das ist mir schon mal untergekommen. Einige übertreten die Regeln ein erstes Mal und denken sich dann, es würden überhaupt keine mehr gelten. Dieser Typ wird jedes Mädchen anfallen, das ihm über den Weg läuft, und alle möglichen Risiken eingehen.
Die Behandlung von Agenten ist eine Kunst. Sie sind Mutter, Vater, Priester und Lehrer für sie. Sie müssen sie wieder auf den Erdboden holen. Sie müssen ihnen sagen, sich um ihre Familien und um ihren eigenen Arsch zu kümmern, besonders den ›guten‹ ideologisch Angeworbenen. Viele dieser Agenten steigern sich zu sehr hinein und zerstören sich selbst. Sie können zu Kreuzrittern werden. Von den Kreuzrittern«, fuhr Clark fort, »sind nur wenige an Altersschwäche gestorben.
Der Agent, dem es ums Geld geht, ist meist der verläßlichste. Der geht kein zu hohes Risiko ein. Der will schließlich wieder raus, um die schönen Seiten des Lebens zu genießen. Das ist das schöne an den Agenten, die für Geld arbeiten – sie leben dafür, es auch mal auszugeben.
Wenn Sie andererseits etwas schnell erledigt haben wollen, wenn Sie einen Risikobereiten brauchen, können Sie durchaus einen Geld-Typen einsetzen – nur müssen Sie darauf vorbereitet sein, ihn schleunigst rausholen zu können. Früher oder später wird er meinen, er hätte genug getan, und verlangen, daß er aus dem Spiel genommen wird.
Was will ich Ihnen damit sagen? Es gibt in diesem Geschäft keine festen Regeln. Sie müssen Ihr Köpfchen einsetzen. Sie müssen sich mit Menschen auskennen, wie sie sind, wie sie sich verhalten, wie sie denken. Sie müssen ein echtes Mitgefühl für Ihre Agenten haben, ob Sie sie mögen oder nicht. Die meisten werden Sie nicht mögen«, versprach er ihnen. »Sie haben ja den Film gesehen. Jedes Wort war real. Drei Fälle endeten mit einem toten Agenten, einer mit einem toten Offizier. Denken Sie daran.
Okay, wir machen jetzt Pause. Mr. Revell wird Sie in der nächsten Stunde unterrichten.« Clark sammelte seine Unterlagen ein und ging zur Rückseite des Raums, während die Auszubildenden sich schweigend mit der neuen Lektion beschäftigten.
»Mensch, Mr. C, heißt das, Verführung ist okay?« fragte Ding.
»Nur, wenn dich jemand dafür bezahlt, Domingo.«
*
In Gruppe zwei waren mittlerweile alle krank. Im Verlauf von zehn Stunden beklagten sie sich alle über Fieber und Schmerzen – Grippesymptome. Einige vermuteten bestimmt, wie es mit ihnen stand. Einige von ihnen halfen weiterhin den kränkeren Pflegepersonen, denen sie zugeteilt waren. Andere setzten sich im
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