Befehl von oben
Die Verbrecher des elften Jahrhunderts oder eine tugendhafte Frau aus dem zwanzigsten, die sich jeden denkbaren menschlichen Wunsch versagte – und wofür? Um den Kranken zu dienen und ihren Glauben zu lehren. Immer demütig, immer ehrerbietig. Sie hatte bestimmt nie ihre Gelübde der Armut, Keuschheit und Gehorsamkeit gebrochen. Und mochten diese Gelübde und diese Glaubenseinstellung auch falsch sein, er hatte von ihr das gleiche gelernt, was der Prophet verkündet hatte. Es gab nur einen Gott.
Es gab nur eine Heilige Schrift. Sie hatte beiden reinen Herzens gedient, wie irregeleitet ihr Glaubensbekenntnis auch gewesen sein mochte.
Nicht nur Schwester Jean Baptiste, kam ihm in Erinnerung. Auch Schwester Maria Magdalena. Sie wurde ermordet – und weshalb? Treue zu ihrem Glauben, zu ihrem Gelübde, zu ihrer Freundin, keine Dinge, die dem Heiligen Koran im geringsten zuwider waren.
Es wäre ihm sehr viel leichter gefallen, wenn er nur mit Schwarzafrikanern gearbeitet hätte. Ihre Glaubensbekenntnisse waren etwas, das der Koran verabscheute. Auf die hätte er leicht herabblicken können und sich um Christen überhaupt keine Gedanken zu machen brauchen – aber er war Jean Baptiste und Maria Magdalena begegnet. Warum?
Warum war das geschehen?
Unglücklicherweise war es für ihn zu spät, solche Fragen zu stellen.
Vorbei war vorbei. Moudi ging zur anderen Ecke des Raums und holte sich einen Kaffee. Er war schon mehr als einen Tag auf, und mit Müdigkeit kamen Zweifel. Er hoffte, das Getränk würde sie verjagen, bis er schlafen konnte, damit Ruhe und vielleicht Friede einkehrten.
*
»Das ist wohl ein Scherz!« knurrte Arnie in den Hörer.
Tom Donners Stimme klang so entschuldigend wie nur möglich.
»Vielleicht waren es die Metalldetektoren auf dem Weg nach draußen.
Das Band – ich meine, es ist hin. Es ist alles noch gut zu hören und zu sehen, aber auf der Tonspur ist ein Nebengeräusch. Keine Sendequalität.
Die ganze Stunde ist für die Katz. Wir können das nicht verwenden.«
»Und?« wollte van Damm wissen.
»Und so haben wir ein Problem, Arnie. Der Beitrag soll um neun laufen.«
»Und was soll ich da jetzt machen?«
»Schafft es Ryan nochmals live? Da steigen die Einschaltquoten«, gab der Anchorman zu bedenken.
Dem Stabschef des Präsidenten wäre beinahe was entschlüpft. In einer Einsatzwoche, während der alle Sender ihr Bestes taten, um ihr Publikum zu vergrößern, zwecks Erhöhung der Werbeeinnahmen, hätte er Donner beschuldigt, dies absichtlich eingefädelt zu haben. Aber nein, die Linie durfte nicht einmal er überschreiten. Also schwieg er und zwang Donner, den nächsten Zug zu machen.
»Schauen Sie, Arnie, wir fahren dieselben Themen. Wie oft geben wir einem Präsidenten die Chance, seine Zeilen zu proben? Und er hat sich heute vormittag gut gehalten. Das meint auch John.«
»Sie können es nicht nochmals aufnehmen?« fragte van Damm.
»Arnie, in vierzig Minuten bin ich auf Sendung und hab' bis halb acht zu tun. Bleiben dreißig Minuten, um zu Ihnen zu düsen, alles aufzubauen und aufzunehmen und dann das Band hierher zurückzubringen, und alles vor neun? Wollen Sie mir einen Ihrer Hubschrauber leihen?« Er verstummte. »Auf die Art – ich sag' Ihnen was. Ich werde in der Sendung sagen, daß wir mit dem Band Murks gebaut haben und daß der Boß netterweise zugestimmt hat, sich uns noch einmal live zur Verfügung zu stellen. Wenn das keine Spezialnummer des Senders ist, dann weiß ich nicht.«
Arnold van Damms Warnlichter blinkten alle rot. Die gute Nachricht war, daß Jack sich ganz gut aufgeführt hatte. Nicht perfekt, aber ganz gut, besonders in der Aufrichtigkeit. Selbst bei den kontroversen Themen hatte er von seinen Worten her überzeugt gewirkt. Er hatte nicht so entspannt ausgesehen, wie er sollte, aber das war okay. Ryan war kein Politiker – das hatte er zwei- oder dreimal gesagt – und deshalb ging etwas Anspannung in Ordnung. Fokusgruppen in sieben verschiedenen Städten sagten alle, sie mochten Jack, weil er sich wie einer von ihnen benahm. Ryan wußte nicht, daß Arnie und der politische Stab die Umfrage durchführten. Das Projekt war geheimer als CIA-Geschichten, aber Arnie rechtfertigte sich damit, daß es als Realitäts-Check, wie der Präsident sich, sein Programm und sein Image rüberbrachte, zum Regieren erforderlich war – und kein Präsident hatte je alles gewußt, was in seinem Namen geschah. Gut, kam wie ein Präsident rüber, nicht typisch,
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