Befehl von oben
aber auf seine Art, und das, meinten die Fokusgruppen, war auch gut so. Live auf Sendung, ja, das würde echt gut aussehen und viele Leute dazu bringen, auf NBC zu schalten, und Arnie wollte ja, daß die Bevölkerung Ryan besser kennenlernte.
»Okay, Tom, vorsichtiges Ja. Aber ich muß ihn noch fragen.«
»Bitte rasch«, erwiderte Donner. »Wenn er's platzen läßt, müssen wir das gesamte Sendeprogramm heute abend umschmeißen, und dann geht's um meinen Arsch, verstanden.«
»Bin gleich wieder da«, versprach van Damm. Er drückte auf den Knopf der Telefonanlage und eilte aus dem Zimmer, ließ aber den Hörer auf der Schreibunterlage liegen.
»Muß zum Boß«, sagte er den Geheimagenten im Ost-West-Korridor.
»Ja?« sagte Ryan. Es geschah nicht oft, daß seine Tür ohne Ankündigung aufging.
»Wir müssen das Interview nochmals machen«, sagte Arnie etwas außer Atem.
Jack schüttelte überrascht den Kopf. »Warum? Stand mein Hosenstall offen?«
»Mary paßt darauf schon immer auf. Das Band ist hin, und zur Neuaufnahme reicht die Zeit nicht. Also hat Donner mich gebeten, Sie zu fragen, ob Sie's um neun Uhr live machen würden. Gleiche Fragen und alles – halt, nein«, unterbrach sich Arnie nach einem Gedankenblitz.
»Wie war's, wenn wir Ihre Frau hinzuziehen würden?«
»Cathy wird es nicht mögen. Warum?« fragte der Präsident.
»Eigentlich muß sie nur dasitzen und lächeln. Das wird sich bei den Leuten draußen gut machen. Jack, sie muß gelegentlich die First Lady spielen. Das hier sollte einfach sein. Vielleicht könnten wir sogar am Schluß die Kinder reinbringen …«
»Nein. Meine Kinder treten nicht an die Öffentlichkeit, basta. Cathy und ich haben das so besprochen.«
»Aber …«
»Nein, Arnie, jetzt nicht, morgen nicht, in Zukunft nicht, nein.«
Ryans Stimme war so endgültig wie ein Todesurteil.
Der Stabschef sah, daß er Ryan nicht zu allem überreden konnte. Das würde noch dauern, aber er würde es schon deichseln. Man konnte doch nicht ›der von nebenan‹ sein, ohne die Kinder zu zeigen, aber jetzt war nicht die Zeit, auf so was zu drängen. »Werden Sie Cathy fragen?«
Ryan seufzte und nickte: »Okay.«
»Gut, ich werde Donner sagen, daß sie vielleicht dabei ist, es aber wegen ihrer ärztlichen Verpflichtungen noch nicht sicher ist. Das wird ihm etwas zum Nachdenken geben. Sie werden damit auch ein bißchen aus der Schußlinie kommen. Das ist eine Aufgabe der First Lady, denken Sie dran.«
»Bringen Sie's ihr bei, Arnie? Denken Sie dran, sie ist Chirurgin, kann gut mit Messern umgehen.«
Van Damm lachte. »Ich sag Ihnen, was sie ist. Sie ist eine verdammt tolle Lady, und sie ist zäher als wir beide. Bitten Sie recht nett«, riet er.
»Yeah.« Direkt vor dem Abendessen, dachte Jack.
»Okay, er wird's machen. Aber wir sollten seine Frau auch dazu bitten.«
»Warum?«
»Warum nicht?« fragte Arnie. »Ist allerdings nicht sicher, noch nicht von der Arbeit zurück«, fügte er hinzu, und das war eine Aussage, die Reporter zum Lächeln brachte.
»Okay, Arnie, danke, ich schuld' Ihnen was.« Donner drehte den Außenlautsprecher ab.
»Ihnen ist wohl klar, daß Sie gerade den Präsidenten der Vereinigten Staaten angelogen haben«, bemerkte John Plumber nachdenklich.
Plumber war ein älterer Profi als Donner, aber nicht von der Edward-R.-Morrow-Generation – nicht ganz. Er ging auf die Siebzig zu. Im Zweiten Weltkrieg war er noch Jugendlicher gewesen, war aber als junger Reporter nach Korea gekommen und Auslandskorrespondent in London, Paris, Bonn und schließlich Moskau gewesen. Kein beruflicher Zeitgenosse von Morrow, war er aber mit den Berichten des unsterblichen CBS-Korrespondenten aufgewachsen und konnte sich mit geschlossenen Augen an die schnarrende Stimme mit der Autorität eines Geistlichen erinnern. Vielleicht, weil Ed mit dem Radio anfing, als die Stimme die Münze dieses Berufs war. Die Sprache hatte der jedenfalls besser beherrscht als die meisten seiner Zeit, erst recht im Vergleich mit den halbliteraten Reportern und Schreiberlingen von jetzt. Plumber hielt was auf sich als selbstgelernter Kenner, vor allem der Elisabethanischen Zeit, und bemühte sich, seine Beiträge mit der Art Eleganz zur würzen, die das Vorbild auszeichnete, das er gehört und gesehen, aber nie getroffen hatte. Vor allem anderen hatten die Leute auf Morrow wegen der Ehrlichkeit gehört. Der war so bärbeißig gewesen wie jeder der ›investigativen‹ Journalisten, die jetzt aus
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