Befehl von oben
Reporter verscheucht worden. Da war SURGEON unerbittlich. Nach der ersten Reportagenflut über Katie Ryan und ihre Spielkameraden bekam Journalistenbesuch höflich, aber bestimmt, die Auskunft, daß sie sich trollen konnten. Wer trotzdem kam, durfte mit Russel sprechen, der seine Großvatermiene für die Kinder aufhob. Erwachsene wurden eingeschüchtert, meist auch mit der Sonnenbrille, die ihn noch mehr wie Schwarzenegger aussehen ließ, obwohl er dem gut zehn Zentimeter schenken könnte.
Doch seine Untereinheit war auf sechs reduziert worden. Drei im Anwesen und drei über die Straße. Letztere hatte Schulterwaffen, Uzi-Maschinenpistolen und eine M-16 mit Teleskop. An einem anderen Ort wären sechs viel gewesen, aber nicht hier, schätzte er. Leider hätten mehr die Tagesstätte wie ein bewaffnetes Lager aussehen lassen, und Präsident Ryan hatte schon genug am Hals.
*
»Was gibt's zu melden, Gus?« fragte Alexandre in seinem Büro, bevor er auf Nachmittagsvisite ging. Einem der AIDS-Patienten ging es deutlich schlechter, und Alex versuchte herauszufinden, was er dagegen tun konnte.
»ID bestätigt. Ebola-Mayinga, genau wie bei den Fällen aus Zaire. Der männliche Patient wird's nicht schaffen, aber das Kind soll sich gut erholen.«
»Oh? Gut. Was ist der Unterschied bei den Fällen?«
»Weiß nicht, Alex«, erwiderte Lorenz. »Ich hab' nicht viel Information über die Patienten, bloß Vornamen; Saleh für den Mann, Sohaila für das Kind, Alter und so.«
»Arabische Namen, stimmt's?« Aber Sudan war ein islamisches Land.
»Wahrscheinlich.«
»Wär' gut, wenn wir den Unterschied bei den Fällen wüßten.«
»Das habe ich deutlich gemacht. Der behandelnde Arzt ist ein Ian MacGregor, klingt recht gut, Universität Edinburgh. Jedenfalls weiß er keinen Unterschied. Er hat auch keine Idee, wie sie sich angesteckt haben könnten. Sind etwa zur gleichen Zeit im Krankenhaus aufgetaucht, in etwa der gleichen Verfassung. Erstdiagnose war Grippe und/oder Jetlag …«
»Von woher eingereist?« unterbrach Alexandre.
»Er meinte, er könne es nicht sagen.«
»Wie das?«
»Hab' ich auch gefragt. Das könne er genausowenig sagen, aber es hat offenbar keinen Bezug zu den Fällen.« Lorenz' Tonfall verriet, was er sich dazu dachte. Beide Männer wußten, es mußte Lokalpolitik sein, ein echtes Problem in Afrika, besonders bei AIDS.
»Nichts weiter in Zaire?«
»Nichts«, bestätigte Gus. »Das ist vorbei. Macht einem Kopfzerbrechen, Alex. Die gleiche Krankheit taucht an zwei unterschiedlichen Orten auf, zweitausend Meilen entfernt, jeweils zwei Fälle, zwei tot, einer sterbend, eine erholt sich wohl. MacGregor hat am Krankenhaus entsprechende Eindämmungsvorkehrungen getroffen, und es klingt so, als verstünde er sein Geschäft.« Das Achselzucken war fast durchs Telefon zu hören.
Der Geheimdiensttyp vom Mittagessen hatte recht, dachte Alexandre. Es war mehr Detektivarbeit als Medizin, und das hier machte keinen verfluchten Sinn, wie eine Mordserie ohne Anhaltspunkte. Vielleicht als Buch unterhaltsam, aber nicht in der Realität.
»Okay, was wissen wir denn?«
»Wir wissen, der Mayinga-Typ ist putzmunter. Visuelle Inspektion identisch. Wir führen Analysen an den Proteinketten und der Sequenzierung durch, aber mein Gefühl sagt mir, daß alles genau paßt.«
»Herrgott noch mal, was ist der Wirt, Gus? Den brauchen wir!«
»Danke für diese Bemerkung, Doktor.« Gus war genauso ungehalten, aus dem gleichen Grund. Aber für beide war es eine alte Geschichte.
Nun, dachte der Ältere, es hatte ein paar tausend Jahre gedauert, um der Malaria auf die Schliche zu kommen. An Ebola dokterten sie erst etwa fünfundzwanzig Jahre rum. Der Erreger tauchte auf und verschwand wie ein Serienmörder im Roman. Aber Ebola verfügte über kein Gehirn, keine Strategie und konnte sich von alleine nicht bewegen. Es war superangepaßt an etwas sehr Begrenztes und überaus Enges. Aber sie wußten nicht, was. »Da könnte man zum Trinker werden, nicht wahr?«
»Schätze, ein steifer Bourbon würde es abtöten, Gus. Ich muß zu meinen Patienten.«
»Wie gefallen Ihnen denn die regelmäßigen Visiten, Alex?« Lorenz vermißte sie auch.
»Gut, wieder richtiger Doktor zu sein. Ich wünschte mir bloß, meine Patienten würden ein bißchen mehr Hoffnung bieten. Aber so ist eben der Beruf, nicht?«
»Ich faxe Ihnen die Daten von der Strukturanalyse der Proben zu, wenn Sie möchten. Das gute dran ist, daß alles hübsch eingedämmt
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