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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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bemerkte Ryan unwirsch. »Ich muß mich mit echten Problemen herumschlagen. Ein neuer Staat im Mittleren Osten mag uns nicht, die Chinesen machen aus mir unerfindlichen Gründen Ärger auf See, und ich habe noch immer keinen Kongreß.«
    »Dies ist ein echtes Problem«, sagte ihm Arnie. Wieder.
    »Ich kann lesen.« Ryan deutete zum Stoß Zeitungsausschnitte auf dem Schreibtisch. Er hatte gerade entdeckt, daß die Medien ihn mit ersten Entwürfen kritischer Leitartikel beglückten, die am nächsten Tage erscheinen sollten. Wie nett von ihnen. »Ich dachte immer, der CIA wäre Alice im Wunderland. Aber dies übertrifft alles. Okay, der Oberste Gerichtshof. Ich habe etwa die Hälfte der Liste durchgelesen. Es sind alles gute Leute. Ich werde meine Auswahl nächste Woche um diese Zeit treffen.«
    »Die Anwaltsvereinigung wird Ihnen die Hölle heiß machen«, sagte Arnie.
    »Laß sie. Ich kann keine Schwäche zeigen. Soviel habe ich letzte Nacht gelernt. Was wird Kealty machen?« fragte der Präsident als nächstes.
    »Er kann Sie lediglich politisch schwächen, Ihnen einen Skandal androhen und Sie zum Rücktritt zwingen.« Arnie hielt wieder die Hand hoch. »Ich will damit nicht sagen, daß es einen Sinn ergibt.«
    »Das tut verdammt wenig in dieser Stadt, Arnie.«
    *
    Ein entscheidendes Element bei der Konsolidierung des neuen Staates war natürlich das Militär. Die Divisionen der früheren republikanischen Garden würden ihre Identität beibehalten. Im Offizierskorps müßten Anpassungen vorgenommen werden. Die Hinrichtungen der vergangenen Wochen hatten nicht alle unerwünschten Elemente ausgemerzt, aber im Interesse eines guten Einvernehmens wurden weitere Eliminierungen in schlichte Pensionierungen verwandelt – Anweisungen zur Abdankung waren machtvoll direkt: Tritt aus dem Glied und verdufte.
    Diese Warnung konnte keiner mißachten. Die ausscheidenden Offiziere konnten gar nicht anders, als ergeben zu nicken, und waren froh, daß sie noch am Leben bleiben durften.
    Die Einheiten der Garde hatten den Golfkrieg großenteils überlebt.
    Der Schock infolge der Behandlung durch die Amerikaner war durch spätere Einsätze zur Unterdrückung ziviler Aufstände wieder gemildert worden; so waren ihr Überlegenheitsgefühl zum Teil und ihr forsches Auftreten fast ganz wieder zurückgekehrt. Ihre Ausrüstung war aus Lagerbeständen und anderen Mitteln ergänzt worden und würde auch bald aufgestockt werden.
    Die Konvois verließen den Iran über die Straße von Abadan, vorbei an bereits abgebauten Grenzstationen. Sie fuhren im Schutz der Dunkelheit und mit einem Minimum an Funkverkehr, aber das machte den Satelliten nichts aus.
    »Drei Divisionen, und zwar schwere«, lautete die sofortige Analyse im ITAC Intelligence and Threat Analysis Center der Army, im Navy-Stützpunkt in Washington. Zur gleichen Erkenntnis gelangte man bei DIA und CIA. Eine frische Einschätzung der Kampfstärke des neuen Staates wurde bereits erstellt, und obwohl sie noch nicht vollständig war, zeigten vorläufig hingekritzelte Berechnungen, daß die UIR mehr als die doppelte militärische Stärke aller anderen Golfstaaten zusammen besaß. Wahrscheinlich noch mehr, wenn alle Faktoren ausgewertet wären.
    »Wohin genau unterwegs, frage ich mich«, sagte der oberste Wachoffizier laut, als die Bänder zurückgespult wurden.
    »Der untere Teil des Irak ist schon immer schiitisch gewesen, Sir«, erinnerte der als Regionalspezialist arbeitende Stabs-Unteroffizier den Colonel.
    »Und da sind sie unseren Freunden am nächsten.«
    »Getroffen.«
    Mahmoud Hadschi Daryaei mußte über vieles nachdenken und erledigte dies gewöhnlich außerhalb, nicht innerhalb einer Moschee. In diesem Fall handelte es sich um eine der ältesten im ehemaligen Irak, in Sichtweite der ältesten Stadt der Welt, Ur. Auch wenn Daryaei ein gottesfürchtiger und gläubiger Mann war, so hielt er sich doch an Geschichte und politische Realität und sagte sich, alles käme im vereinten Ganzen zusammen, das die Gestalt der Welt definierte, und alles müsse erwogen werden. In Augenblicken der Schwäche oder Begeisterung (das war in seinem Denken das gleiche) war es leicht, sich einzureden, bestimmte Dinge wären von Allahs unsterblicher Hand niedergeschrieben, aber der Koran lehrte auch Umsicht, und die, fand er, ließ sich am leichtesten erreichen, wenn er an einem heiligen Ort spazierenging, gewöhnlich einem Garten, wie ihn diese Moschee hatte.
    Die Kultur hatte hier ihren Ursprung.

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