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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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getan hatte. Was er nun zu hören bekam, wären nur Ansichten, keine Urteile. Das Urteilen lag jetzt bei ihm. Alles mögliche würde er hören. Seine Berater würden wie Anwälte sein, mal in diese Richtung argumentierend, mal in jene, ihm zeigend, daß er gleichzeitig recht hatte und im Unrecht war, doch zum Schluß blieb die Entscheidung seine allein.
    Präsident Ryan fuhr sich mit der Hand ins Gesicht, ungeachtet des Make-ups, und verschmierte es. Er wußte nicht, daß das Bild, das Fox und die anderen Sender jetzt ausstrahlten, geteilt war, denn alle hatten Zugriff auf das gepoolte Signal aus dem Roosevelt Room. Er schüttelte den Kopf ein wenig in der Art eines Mannes, der ungern etwas akzeptieren mußte, sein Gesicht eher starr als traurig.
    »Wo geht es jetzt lang?« fragte der Fox-Reporter. Die Frage stand nicht auf seiner Liste, war bloß menschliche Reaktion auf eine menschliche Szene. Die Blende hin zum Hill hatte viel von der vorgesehenen Zeit für das Interview aufgezehrt, doch die White-House-Regeln waren unumstößlich.
    »Es liegt eine Menge Arbeit an«, gab Ryan zur Antwort.
    »Vielen Dank, Mr. President. Es ist jetzt vierzehn Minuten nach.«
    Jack sah das Licht an der Kamera ausgehen. Der Aufnahmeleiter wartete ein paar Sekunden, bis er abwinkte, und der Präsident befreite sich von Mikrofon und Kabel. Sein erster Pressemarathon war vorbei. Bevor er den Raum verließ, betrachtete er eingehender die Kameras. Früher hatte er Geschichtsvorlesungen gehalten, in letzter Zeit Einweisungsreden, aber immer vor lebenden Zuhörern, denen er an den Augen die Reaktionen ablesen konnte und schneller oder langsamer sprechen, vielleicht einen kleinen Scherz einbauen, wenn die Umstände es erlaubten, oder etwas durch Wiederholung verdeutlichen. Jetzt mußte er sich im vertrauten Gespräch an ein Ding wenden. Wieder was Unerquickliches. Ryan verließ den Raum, während in aller Welt Leute abschätzten, was man vom neuen Präsidenten der USA gesehen und gehört hatte. In fünfzig oder mehr Ländern diskutierten Fernsehkommentatoren über ihn, während er erneut das Badezimmer aufsuchte.
    »Das ist das Beste, was unserem Land passiert ist, seit Jefferson.« Der ältere hielt sich für einen ernsthaften Studenten der Geschichte. Er mochte Thomas Jefferson wegen der Äußerung, daß ein Land am besten regiert war, das am wenigsten regiert wurde – von den Aphorismen des Weisen von Monticello wohl der einzige, den er kannte.
    »Und's sieht aus, als mußte dazu erst ein Japs daherkommen.« Der Bemerkung folgte ein ironisches Prusten. So was könnte sogar den eingefleischten Rassismus in Frage stellen – das ging nun gar nicht.
    Sie waren die ganze Nacht aufgewesen – es war 5.20 Uhr Ortszeit – und hatten Nachrichten geguckt, die nicht aufhörten. Die Fernsehfritzen sahen, so stellten sie fest, noch mitgenommener aus als der Ryan-Typ. Zeitzonen hatten ihr Gutes. Sie hatten gegen Mitternacht aufgehört, Bier zu trinken, und waren zwei Stunden später zu Kaffee übergegangen, als sie einzudösen anfingen. Durfte nicht sein. Was sie beim Kanalhüpfen sahen, über die große Satellitenschüssel neben der Hütte reingeholt, war wie eine fantastische Mammutsendung, nur ging diese nicht um Geld für verkrüppelte Kinder oder AIDS-Opfer oder Nigger-Schulen. Diese war echt geil. All die Bastards in Washington mußten verkohlt worden sein, wenigstens die meisten.
    »Bürokraten-Barbecue«, sagte Peter Holbrook schon zum siebzehntenmal seit 23.30 Uhr, als er fürs Ereignis seinen Ausdruck fand. Er war schon immer der Kreative in der Bewegung gewesen.
    »Oh, Scheiße, Pete!« japste Ernest Brown und verschüttete Kaffee in seinen Schoß.
    »Ist 'ne lange Nacht gewesen«, gab Holbrook zu, selber lachend. Präsident Durlings Rede hatten sie sich aus mehreren Gründen angehört.
    Einmal, weil alle Sender ihre Programme dafür unterbrochen hatten, wie gewöhnlich bei wichtigen Ereignissen; aber um der Wahrheit die Ehre zu geben, ihre Satellitenanlage gab ihnen Zugang zu hundertsiebzehn Sendern, und sie hätten nicht mal den Apparat abschalten müssen, um ›Input‹ zu vermeiden von der Regierung, die sie und ihre Freunde verabscheuten. Der tiefere Grund war, daß sie ihre Wut auf die Regierung hegten und meistens – beide Männer zogen sich täglich mindestens eine Stunde C-SPAN-1 oder -2 rein – solche Reden verfolgten, um diesem Gefühl Nahrung zu geben und Präsidentenreden unentwegt mit abfälligen Bemerkungen zu

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