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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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Außenministerium angerufen und den Chef des Amerika-Referats (eigentlich eine ganzes Stockwerk im Bürogebäude in Teheran) ein Dossier erstellen lassen über die Arbeitsweise der amerikanischen Regierung. Die Situation war sogar besser, als Daryaei gehofft hatte. Sie konnten keine neuen Gesetze erlassen, keine neuen Steuern erheben, keine neuen Gelder ausgeben, bis ihr Kongreß neu konstituiert war, und das dauerte seine Zeit. Nahezu alle ihrer Ministerien hatten keinen Leiter. Dieser Ryan-Knabe allein – Daryaei war zweiundsiebzig – war die amerikanische Regierung, und Daryaei war nicht beeindruckt von dem, was er sah.
    Die Vereinigten Staaten von Amerika hatten ihm jahrelang den Weg verstellt. So viel Macht. Selbst nach der Verringerung ihrer Kräfte nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion – des ›minderen Satans‹ – war Amerika zu Dingen imstande, die anderen Ländern unmöglich waren.
    Es erforderte nur politische Entschlossenheit, und wenn es die auch selten genug gab, war die Drohung allein schon entmutigend. Gelegentlich klemmte sich das Land fest hinter etwas, wie vor nicht so langer Zeit gegen den Irak, mit so erschreckend entschiedenen Konsequenzen im Vergleich zu dem, was sein eigenes Land in einem heißen Krieg, der fast eine Jahrzehnt gedauert hatte, erreichen konnte. Darin lag die Gefahr Amerikas. Doch jetzt war Amerika ein schwankendes Rohr – oder vielmehr war es, wenn nicht ganz, so doch nahezu kopflos. Dieser kräftigste Körper konnte zum Krüppel und nutzlos werden, durch eine Verletzung am Hals, besser noch am Kopf …
    Ein einziger Mann, dachte Daryaei und hörte nicht mehr auf das, was aus dem Fernseher kam. Die Worte zählten jetzt nicht. Ryan sagte nichts Substantielles, verriet aber dem Mann, eine halbe Erde weit entfernt, viel durch seine Haltung. Das neue Haupt des Landes hatte einen Hals, und auf den konzentrierte sich Daryaeis Blick. Die Symbolik war eindeutig. Es war nur noch eine technische Aufgabe, die Trennung des Kopfes vom Körper zu vollenden, und alles, was sich zwischen den beiden befand, war der Hals.
    »Zehn Minuten bis zum nächsten«, sagte Arnie, nachdem Joy gegangen war, um zum Flughafen zu fahren. Der Fox-Reporter war noch in der Maske.
    »Wie mache ich mich?« Diesmal klemmte Jack das Mikrofon ab, bevor er aufstand. Er mußte sich die Beine vertreten.
    »Nicht schlecht«, schätzte van Damm großzügig. Einem Berufspolitiker hätte er vielleicht was anderes gesagt, aber ein echter Politiko wäre wohl mit echt harten Fragen konfrontiert worden. Hier war es als spiele ein Golfer gegen sein Handicap statt gegen einen Tour-Pro-Partner, und das war ja in Ordnung. Wichtig war, daß Ryans Selbstvertrauen aufgebaut wurde, damit er überhaupt funktionierte. Die Präsidentschaft war schon in besten Zeiten schwer genug, und wo jeder Inhaber dieses Amtes oft genug den Kongreß und die anderen Institutionen zur Hölle gewünscht hatte, Ryan mußte lernen, wie unverzichtbar jeder einzelne Teil des ganzen Regierungssystems war – und zwar auf die harte Tour.
    »Ich muß mich an einiges gewöhnen, nicht wahr?« Jack lehnte vor dem Roosevelt Room an der Wand und blickte den Korridor auf und ab.
    »Das werden Sie«, versprach ihm sein Stabschef.
    »Vielleicht.« Jack lächelte. Er war sich nicht bewußt, daß diese morgendliche Aktivität ihm Gelegenheit gegeben hatte, die anderen anstehenden Sachverhalte für eine Weile außer acht zu lassen. Dann reichte ihm ein Agent des Secret Service einen Zettel.
    *
    War es auch unfair anderen Familien gegenüber, mußte man verstehen, daß dem Leichnam Präsident Durlings oberste Priorität gebührte. Nicht weniger als vier mobile Kräne waren an der Westfront des Gebäudes aufgestellt und arbeiteten nach Anweisung der Fachleute, die mit anderen Arbeitern auf dem Boden des Plenarsaals standen; viel zu nahe, aber es war ja heute keiner von OSHA in der Nähe. Die einzigen staatlichen Inspektoren, die etwas zu sagen gehabt hätten, waren vom Secret Service – FBI hatte zwar die Gesamtleitung der Ermittlungen, aber keiner hätte sich zwischen die Leute und ihre traurige Suche gestellt. Auch ein Arzt und ein Team Sanitäter war mit hier unten für den Fall, daß doch jemand überlebt hatte, obwohl alles dagegen sprach. Eine echte Leistung war es, die Aktionen der Kräne zu koordinieren, die in den Krater tauchten wie ein Quartett Giraffen, die aus demselben Wasserloch tranken, und sie stießen durchs Geschick der Kranführer nie

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