Befehl von oben
andere Kamera um: zwei Nationalgardisten beim Herabtragen einer weiteren Leiche. Ein Assistent behielt alle Kameras im Auge, bemüht, die geborgenen Leichen mitzuzählen. Inzwischen war bekannt, daß die Leichen von Präsident und Mrs. Durling geborgen waren und sich zur Autopsie – die im Falle gewaltsamer Tötung vom Gesetz vorgeschrieben ist – im Walter Reed Army Medical Center befanden. In der New Yorker Zentrale wurde jeder Meter Videoband über Durling herausgesucht und zusammengeschnitten, um im Laufe des Tages gezeigt zu werden. Politische Kollegen wurden ausgewählt und interviewt. Psychologen sollten erklären, wie Durlings Kinder mit dem Trauma fertig würden, dehnten ihre Betrachtungen aus auf die Auswirkungen des Ereignisses aufs Land insgesamt und wie die Leute damit fertig würden.
Nahezu das einzige, was im Fernsehen nicht untersucht wurde, war der geistliche Aspekt; daß viele der Opfer an Gott geglaubt und von Zeit zu Zeit die Kirche besucht hatten, war keine Sendezeit wert, aber die Anwesenheit vieler Menschen in Gotteshäusern erhielt bei einem Sender drei Minuten – und da die einen die anderen ständig auf der Suche nach Ideen beäugten, wurde das Segment von den übrigen kopiert und in den nächsten Stunden immer wieder gezeigt.
*
Es lief echt alles darauf hinaus, wußte Jack. Die Zahlen fügten nur immer neue Einzelbeispiele hinzu. Er hatte es so lange wie möglich hinausgezögert, doch schließlich mußte seine Feigheit aufgeben.
Die Durling-Kinder schwebten zwischen der Benommenheit des Nichtwahrhaben-Wollens und dem Schrecken, die Zerstörung ihrer Welt miterlebt zu haben, als sie ihrem Vater im Fernsehen zugeschaut hatten. Mom und Dad würden sie nie wiedersehen. Die Körper waren zu sehr zerschmettert, als daß die Särge hätten geöffnet sein dürfen.
Kein letztes Goodbye, keine Worte, nur die traumatische Entfernung des Fundaments, auf dem ihr junges Leben gebaut hatte. Und wie sollten Kinder verstehen können, daß Mom und Dad nicht bloß Mom und Dad, sondern für andere auch noch etwas anderes – gewesen – waren und daß ihr Tod darum für jemanden erforderlich schien, der die Kinder nicht kannte und sich um sie nicht geschert hätte?
Angehörige waren nach Washington gekommen, die meisten von der Air Force aus Kalifornien hergeflogen. Ebenso geschockt, mußten sie sich in Gegenwart der Kinder zusammennehmen, um es ihnen etwas leichter zu machen. Die Secret-Service-Agenten, die JUNIPER und JUNIOR zugeteilt waren, hatten am meisten gelitten. Darauf trainiert, jeden ›Prinzipalen‹ verbissen zu schützen, trugen die Agenten, die sich um die Durling-Kinder kümmerten – mehr als die Hälfte davon Frauen –, die zusätzliche Bürde normaler Besorgnis, die jeder Mensch für Kinder empfindet, und alle hätten keine Mikrosekunde gezögert, ihr Leben zu opfern, um damit das der Kinder zu retten. Die Bodyguards hatten mit den Kindern gespielt, für sie Weihnachts- und Geburtstagsgeschenke besorgt und bei den Hausaufgaben geholfen. Jetzt mußten sie Lebewohl sagen, den Kindern, deren Eltern und den gefallenen Kollegen. Ryan sah den Ausdruck auf ihren Gesichtern und nahm sich vor, Andrea zu fragen, ob sich ein Psychologe vom Service um sie kümmern könnte.
»Nein, es hat nicht weh getan.« Jack hatte sich hingesetzt, damit ihm die Kinder aus gleicher Höhe in die Augen sehen konnten. »Es hat überhaupt nicht weh getan.«
»Okay«, sagte Mark Durling. Die Kinder waren piekfein gekleidet.
Einer der Angehörigen hatte es für wichtig gehalten, daß sie ordentlich aussahen, wenn sie dem Amtsnachfolger ihres Vaters begegneten. Jack hörte, wie jemand nach Atem rang, und sah am Rand seines Blickfeldes das Gesicht – männlich – eines Agenten, der dabei war, es zu schmeißen.
Price packte den an den Armen und hatte ihn zur Tür raus, noch ehe die Kinder etwas davon merken konnten.
»Bleiben wir hier?«
»Ja«, versicherte Jack ihm. Das war zwar eine Lüge, aber nicht von der Sorte, die jemandem weh tat. »Und wenn ihr etwas braucht, egal was, kommt ihr zu mir, okay?«
Der Junge nickte. Er tat sein Bestes, tapfer zu bleiben, und nun wurde es Zeit, ihn seinen Angehörigen zu überlassen. Ryan drückte ihm die Hand wie einem Mann, der zu werden er eigentlich noch etliche Jahre Zeit haben sollte, für den die Mannespflichten nun aber viel zu schnell kamen. Dem Jungen war zum Weinen zumute, und Ryan meinte, das sollte er jetzt allein tun dürfen.
Jack ging durch die
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