Befehl von oben
genaugenommen verstärkte Brigaden – als einer der ersten auf den Feind zu stoßen. Diggs konnte sich noch gut daran erinnern, daß es ein paarmal verdammt so aussah, als würde er im Fuldatal den Tod finden, einem Mann gegenüber wie dem, der jetzt neben ihm stand, mit dem er am Abend zuvor ein Sechserpack vernichtet hatte, bei Geschichten darüber, wie sich Schildkröten vermehren.
»Rein«, sagte Bondarenko mit einem verschmitzten Grinsen. Irgendwie hielten Amerikaner die Russen für humorlos. Diesen falschen Eindruck mußte er korrigieren, ehe er wieder ging.
Diggs zählte bis zehn, bevor er ganz trocken erwiderte: »Raus.« – Weitere zehn Sekunden: »Rein.« Dann mußten beide lachen. Als Bondarenko den hier sehr beliebten Scherz zum erstenmal gehört hatte, hatte es eine halbe Minute gedauert, bis er's kapierte. Dann hatte sein Lachen ihm Bauchschmerzen beschert. Jetzt fing er sich wieder und zeigte hin. »So sollte der Krieg immer sein.«
»Wird schon noch spannend. Warten Sie nur.«
»Sie bedienen sich unserer Taktik!« Es war leicht daran zu erkennen, wie der Spähtrupp auf der anderen Talseite Stellung bezog.
Diggs erwiderte: »Warum nicht? Im Irak bin ich damit gut gefahren.«
Das Szenario für diese Nacht – erstes Gefecht in diesem Turnus – war kniffelig: Rote Streitmacht im Angriff, Vorstoß und Vernichtung des Spähtrupps der Blauen. Die Blaue Streitmacht war hier eine Brigade der 5th Mechanized Division, die sich hastig verteidigte. Insgesamt sollte hier eine sehr unklare taktische Situation vorliegen. Das 11. ACR simulierte einen Divisionsangriff auf neu eingetroffene Streitkräfte. Das war echt die beste Art und Weise, Leute in der Wüste zu begrüßen: sie Dreck fressen lassen.
»Fahren wir weiter!« Diggs sprang wieder in sein HMMWV, und der Fahrer fuhr los zu einem etwas erhöhten Platz, Eisernes Dreieck genannt. Der kurze Funkspruch eines OC ließ den amerikanischen General böse knurren: »Gottverdammt!«
»Ein Problem?«
General Diggs ergriff eine Karte. »Dieser Hügel ist der wichtigste strategische Punkt im Tal, und sie haben ihn nicht gesehen. Nun, dafür werden sie büßen. Passiert jedesmal.« OpFor-Leute waren bereits zum unbesetzten Gipfel unterwegs.
»So schnell so weit vorzustoßen, ist das klug für Blau?«
»General, todsicher ist's unklug, das nicht zu tun, wie Sie sehen werden.«
»Warum hat er nicht mehr gesprochen, sich nicht öfter in der Öffentlichkeit gezeigt?«
Der Chef des Nachrichtendienstes hätte hier vieles sagen können.
Präsident Ryan war zweifellos sehr beschäftigt. So vieles zu tun. Das Regierungssystem seines Landes in Scherben, und ehe er sprechen könnte, mußte er wieder aufbauen. Ein Staatsbegräbnis organisieren. Er hatte mit Regierungen zahlreicher Länder zu sprechen, ihnen die üblichen Zusicherungen zu geben. Er hatte einiges sicherzustellen, nicht zuletzt seinen persönlichen Schutz. Das amerikanische Kabinett, die wichtigsten Berater des Präsidenten, existierte nicht mehr und mußte neu gebildet werden … Doch das war gewiß nicht, was der Fragende von ihm hören wollte.
»Über diesen Ryan haben wir Nachforschungen angestellt«, war die Antwort, die er gab. Hauptsächlich anhand von Zeitungsartikeln – sehr vielen –, die die UN-Vertretung seines Landes gefaxt hatte. »Bis heute hat er nur wenige öffentliche Reden gehalten, und dann auch nur, um die Gedanken seiner Chefs zu präsentieren. Er ist Geheimdienstler gewesen – genaugenommen im Innendienst, ein Analytiker. Offensichtlich ein sehr guter, aber eben ein Innendienstler.«
»So? Weshalb hat ihn Durling dann berufen?«
»Das stand gestern in amerikanischen Zeitungen. Ihre Regierung benötigt das Amt eines Vizepräsidenten. Und Durling wollte jemanden, der seine Mannschaft für internationale Beziehungen verstärkt: Darin hatte Ryan Erfahrung. Im Konflikt mit Japan hat er sich gut bewährt. Erinnern Sie sich?«
»Ein Assistent also, kein Führer.«
»Richtig. Er hat nie ein höheres Amt angestrebt. Unseren Informationen zufolge hat er diesen Vize-Posten nur als Amtierender auf Zeit angenommen, für weniger als ein Jahr.«
»Das überrascht mich nicht.« Daryaei sah die Notizen an: Assistent von Vizeadmiral James Greer, DDI/CIA, kurz amtierender DDI, dann stellvertretender Direktor, dann Sicherheitsberater von Präsident Durling, und schließlich hatte er den zeitweiligen Posten des Vizepräsidenten angenommen. Sein Eindruck von diesem Ryan war von Anfang
Weitere Kostenlose Bücher