Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
Vom Netzwerk:
wünschte mir, die Amerikaner würden hierzu die korrekte Betrachtungsweise entwickeln. Sie haben sich in unserem Teil der Welt immer so ungeschickt angestellt.«
    Und das war Zweck der Übung, wie der Prinz verstand. Er und Präsident Ryan waren schon seit Jahren befreundet, und Indien wollte, daß er Vermittler spiele. Er würde diese Rolle kaum das erstemal spielen, aber in allen solchen Fällen war der Thronfolger angehalten, sich mit der Regierung zu beraten, in diesem Falle mit dem Botschafter. Jemand in Whitehall hatte entschieden, daß die Freundschaft Seiner Königlichen Hoheit mit dem neuen Präsidenten Amerikas wichtiger sei als der Kontakt von Regierung zu Regierung, außerdem würde sie der Monarchie gut stehen, jetzt, wo solcher Anschein nützlich und notwendig wäre. Auch bot sie Seiner Hoheit eine Ausrede für den Besuch von Ländereien in Wyoming, die in aller Stille der Royal Family oder der ›Firma‹, wie sie von Insidern bisweilen genannt wurde, gehörten.
    »Ich verstehe«, war die verbindlichste Antwort, die er geben konnte, denn Großbritannien hatte ein Ersuchen von Indien ernst zu nehmen.
    Einst das strahlendste Diadem in einer weltumspannenden Krone, war dieses Land immer noch ein bedeutender Handelspartner, lästige Plage, die es allerdings oft sein konnte. Ein direkter Kontakt zwischen den beiden Regierungschefs könnte peinlich sein. Die amerikanische Inkommodation der indischen Flotte war kaum publik, da sie gegen Ende der Feindseligkeiten zwischen Amerika und Japan vorgefallen war, und es lag im gegenseitigen Interesse, daß es so blieb. Präsident Ryan hatte genug am Halse, wie sein alter Freund wußte. Der Prinz hoffte, daß Ryan sich ein wenig ausruhen konnte. Für die Leute beim Empfang war Schlaf bloß ein Mittel gegen Jetlag. Für Ryan war er notwendiger Treibstoff, und in den nächsten zwei Tagen würde er viel benötigen.
    Die Schlange war endlos, das typische Klischee. Sie erstreckte sich ein ganzes Stück am Gebäude des Finanzministeriums vorbei, und ihr Anfang sah aus wie das ausgefranste Ende eines Seiles, wo immer neue Leute dazukamen und sich just zu diesem Seil verdichteten, so daß es den Anschein hatte, als entwickle es sich selbst aus dem Nichts und ergänze sich immer wieder. Sie betraten das Gebäude in Gruppen zu etwa fünfzig, und das Öffnen und Schließen der Türen wurde von jemandem mit einer Uhr oder der langsam zählte, geregelt. Je ein Soldat der verschiedenen Waffengattungen hielt Ehrenwache, im Moment unter Befehl eines Air Force Captain. Sie und die Särge standen still, während die Leute vorüberzogen.
    Ryan betrachtete kurz nach seiner Ankunft ihre Gesichter auf dem Bürofernseher. Es war wieder vor Sonnenaufgang, und fragte sich, was sie wohl dachten und warum sie gekommen waren. Nur wenige hatten tatsächlich für Roger Durling gestimmt. Immerhin war er nur Mitbewerber gewesen, zweiter Listenplatz, und nur durch Bob Fowlers Rückzug Präsident geworden. Doch Amerika schloß seine Präsidenten in die Arme, und im Tod empfing Roger so viel Liebe und Verehrung, wie er zu Lebzeiten nie erfahren hätte. Einige der Trauernden traten vom Sarg etwas zurück und sahen sich in der Eingangshalle des Gebäudes um, die viele von ihnen zuvor nie betreten hatten. Sie nutzten ihre paar Sekunden dort und ließen ihre Blicke von der Ursache ihres Kommens abschweifen, ehe sie dann die Treppen hinuntergingen und das Gebäude durch den Osteingang verließen, jetzt in Gruppen von Freunden oder Verwandten oder auch allein, um wieder die Stadt zu verlassen – und ihren Geschäften nachzugehen. Dann wurde es Zeit für ihn, dasselbe zu tun – genauer, zu seiner Familie zurückzukehren und sich auf die Aufgaben des folgenden Tages vorzubereiten.
    *
    Warum nicht? hatten sie bei ihrer Ankunft auf dem Dulles International Airport entschieden. Glücklicherweise hatten sie an der Endstation von Metros Yellow Line ein billiges Motel gefunden, waren mit der U-Bahn in die Stadt gefahren und an der Station Farragut Square ausgestiegen, da waren es nur ein paar Blocks bis zum White House. Für beide war das das erstemal – keiner von beiden war schon in Washington gewesen, dieser verfluchten Stadt am kleinen Fluß, die das ganze Land verpestete, von dem sie Blut und Schätze saugte – das war so ein Lieblingssatz der Mountain Men. Es dauerte, bis sie das Ende der Schlange fanden, und weitere Stunden, sich mit ihr vorwärts zu bewegen. Dabei waren sie froh, daß sie wenigstens

Weitere Kostenlose Bücher