Befehl von oben
heraus.
»Schade, daß sie nicht offen waren.« Brown sah sich um. Es war niemand in der Nähe, der ihn hätte hören können.
»Sie hinterlassen Kinder«, erwähnte Pete. Er ging etwas nach Süden, so daß sie die Pennsylvania Avenue überblicken konnten.
»Ja, ja, ja. Und die werden groß und werden dann auch solche Bürokraten.« Sie gingen ein paar Meter. »Verdammt noch mal!«
Da war nichts weiter zu sagen, außer höchstens: »Scheißdreck«, dachte Holbrook, und er mochte nicht immer wiederholen, was Ernie sagte.
Die Sonne ging auf, und da es zum Hill hin nach Osten kein hohes Gebäude mehr gab, zeichnete sich die Silhouette des weißen Gebäudes sehr schön ab. Obgleich es für beide der erste Besuch in Washington war, hätte jeder von ihnen eine einigermaßen akkurate Skizze des Gebäudes aus dem Gedächtnis zeichnen können, und was mit der Skyline nicht stimmte, hätte nicht deutlicher zutage treten können. Pete war froh, daß Ernie ihn überredet hatte mitzukommen. Allein dieser Anblick war die Reise wert gewesen. Diesmal brachte Holbrook seinen ersten kollektiven Gedanken zustande: »Ernie«, sagte er voller Ehrfurcht, »das is' inspirierend.«
»Ja.«
*
Ein Problem mit der Krankheit war, daß die ersten Anzeichen nicht eindeutig waren. Ihr Hauptaugenmerk richtete sich auf einen ihrer kleinen Patienten. Er war so ein hübscher Junge, aber er war schwerkrank.
Schwester M. Jean Baptiste sah jetzt, daß sein Fieber auf 40,4 Grad gestiegen war, und das allein war schlimm genug, aber die anderen Anzeichen waren noch schlimmer. Die Desorientierung hatte sich verstärkt.
Das Erbrechen wurde immer häufiger, und jetzt war auch Blut darin.
Anzeichen für innere Blutungen. All das, wußte sie, konnte verschiedenes bedeuten – doch das, was sie fürchtete, wurde Ebola-Fieber genannt.
Im Dschungel dieses Landes – an das sie gelegentlich immer noch als Belgisch-Kongo dachte – gab es viele Krankheiten, und während der Wettlauf darum, die schlimmste zu sein, härter war, als man vielleicht dachte, ließ Ebola alle anderen doch weit hinter sich. Für eine weitere Untersuchung mußte Schwester Jean Baptiste Blut entnehmen, und dies tat sie mit äußerster Sorgfalt. Die erste Probe war irgendwie abhanden gekommen. Die jüngeren Mitarbeiter nahmen es eben nicht so genau, wie sie sollten … Seine Eltern hielten den Arm, während sie Blut entnahm, die Hände jetzt mit Gummihandschuhen geschützt. Es ging reibungslos – der Junge war im Augenblick nicht bei Bewußtsein. Sie zog die Nadel wieder heraus und legte sie sofort in eine Plastikschachtel.
Die Blutampulle war ungefährlich, doch auch sie kam in einen Behälter.
Ihre unmittelbare Sorge betraf die Nadel. Zu viele vom Personal versuchten, dem Hospital Geld zu sparen, indem sie Instrumente mehrfach benutzten, und das trotz AIDS und anderer Krankheiten, die durch Blut übertragen wurden. Sie mußte sich selbst darum kümmern, um sicherzugehen.
Sie hatte keine Zeit, noch länger beim Patienten zu bleiben. Sie verließ die Station und begab sich ins nächste Gebäude. Das Hospital hatte eine lange, ehrenvolle Geschichte und war den örtlichen Gegebenheiten entsprechend gebaut worden. Die vielen kleinen Gebäude waren durch überdachte Laufstege miteinander verbunden. Das Labor war nur fünfzig Meter entfernt. Die Einrichtung war segensreich; erst unlängst hatte die Weltgesundheitsorganisation hier einen Stützpunkt errichtet und dabei moderne Gerätschaften und sechs junge Ärzte mitgebracht – aber leider keine Krankenschwestern. Alle waren in Großbritannien oder Amerika ausgebildet.
Dr. Mohammed Moudi befand sich im Labor. Groß, schlank, dunkelhäutig, war er etwas reserviert im Auftreten, doch er war tüchtig. Er wandte sich um, als er sie kommen sah, und bemerkte, wie sie die Nadel hielt.
»Was gibt es, Schwester?«
»Patient Mkusa. Benedict Mkusa, Afrikaner, männlich, acht Jahre alt.« Sie übergab ihm das Krankenblatt. Moudi klappte den Ordner auf und überflog die Aufzeichnungen. Für die Schwester – Christin oder nicht, sie war eine heilige Frau und eine hervorragende Krankenschwester – kamen die Symptome nacheinander. Die Aufzeichnungen sagten dem Arzt viel mehr. Kopfschmerzen, Schüttelfrost, hohes Fieber, Desorientierung, allgemeine körperliche Unruhe und jetzt Anzeichen innerer Blutungen. Als er vom Bericht wieder aufschaute, war sein Blick verschleiert. Wenn sich als nächstes Petechien auf der Haut zeigten …
»Er
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