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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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entfernt stand. Er nahm sich die Zeit, dem Agenten in die Augen zu schauen, und sie wechselten einen kurzen Blick. Er wußte, daß auch Cathy ihn beobachten würde. Was gab es Besseres, sich mit Leuten anzufreunden, als sich um ihre Kinder zu kümmern? Doch es war mehr als das, und im Bericht an seine Minister würde er sie davor warnen, Ryan nur nach seiner etwas ungelenken Trauerrede zu beurteilen. Daß er nicht von der üblichen Sorte war, ein Land zu führen, hieß nicht, daß er dafür ungeeignet wäre.
    *
    Schwester Jean Baptiste hatte ihr Bestes getan, es zu ignorieren, arbeitete die Hitze des Tages hindurch bis zum Sonnenuntergang und versuchte, das dumpfe Gefühl, das bald zu echtem Schmerz wurde, nicht wahrzuhaben; hoffte, es würde wieder vergehen, wie das bei kleinen Beschwerden stets der Fall war. In ihrer ersten Woche in diesem Land hatte sie Malaria bekommen, und die Krankheit wurde man nie wieder richtig los. Zuerst hatte sie gedacht, daß es das wäre, aber nein. Und das Fieber, das sie einem typisch heißen Kongotag zugeschrieben hatte, kam nicht von der Hitze. Ihre Angst überraschte sie. So oft hatte sie andere behandelt und getröstet, aber nie so recht die Angst verstanden, die sie hatten. Sie wußte, daß die Patienten Angst hatten, erkannte die Tatsache an, daß es Angst gab, doch sie reagierte darauf mit Beistand, Güte und Gebet. Jetzt, zum erstenmal, begann sie zu verstehen. Weil sie zu wissen glaubte, was es war. Sie hatte es schon gesehen. Nicht oft. Die meisten von ihnen waren nicht bis hierher gekommen. Aber Benedikt Mkusa war hierher gekommen, sowenig es ihm genützt hatte. Am Ende des Tages wäre er bestimmt tot, hatte Schwester Maria Magdalena ihr nach der Morgenmesse gesagt. Drei Tage zuvor hätte sie darüber geseufzt – sich aber damit getröstet, daß es dann einen Engel mehr im Himmel geben würde. Diesmal nicht. Jetzt fürchtete sie, daß es zwei sein würden.
    Schwester Jean Baptiste stützte sich am Türrahmen ab. Was hatte sie falsch gemacht? Sie war doch eine achtsame Krankenschwester. Sie machte doch keine Fehler. Hm.
    Sie mußte die Station verlassen und ging den überdachten Steg entlang zum nächsten Gebäude, direkt ins Labor. Dr. Moudi befand sich an seinem Arbeitstisch, war vertieft, wie immer, und hörte sie nicht hereinkommen. Als er sich umdrehte, die Augen rieb nach zwanzig Minuten am Mikroskop, war er überrascht, die heilige Frau mit aufgerolltem Ärmel zu sehen, ein Gummiband fest um den Oberarm und eine Nadel in ihrer Antekubitalvene. Sie war beim dritten Röhrchen, stellte es ab und nahm sich ein viertes.
    »Was ist los, Schwester?«
    »Herr Doktor, ich glaube, diese Proben müssen sofort untersucht werden. Bitte, Sie sollten auch frische Gummihandschuhe anziehen.«
    Moudi kam herüber und blieb einen Meter entfernt stehen, während sie die Nadel herauszog. Er sah ihr ins Gesicht und in die Augen – wie die Frauen in seiner Heimatstadt Ghom war sie schlicht und keusch gekleidet. An diesen Nonnen gab es viel zu bewundern: gut gelaunt, fleißig und sehr fromm im Dienst an ihrem falschen Gott – das stimmte nicht ganz … Er konnte es in ihren Augen sehen, deutlicher noch als an offenen Symptomen. Er sah, was sie bereits wußte.
    »Bitte setzen Sie sich hin, Schwester.«
    »Nein … Ich muß …«
    »Schwester«, sagte der Arzt etwas nachdrücklicher. »Sie sind jetzt Patientin. Sie werden bitte tun, was ich sage, ja?«
    »Herr Doktor, ich …«
    Seine Stimme wurde sanfter. Es hatte keinen Zweck, barsch zu sein, und wahrlich verdiente diese Frau keine solche Behandlung vor Gott.
    »Schwester, nach all der Fürsorge und Hingabe, die Sie so vielen in diesem Hospital angedeihen ließen, bitte, erlauben Sie diesem demütigen Gast, Ihnen ein wenig davon zurückzugeben.«
    Jean Baptiste tat, wie ihr geheißen. Zuerst streifte sich Dr. Moudi ein Paar frische Handschuhe über. Dann kontrollierte er ihren Puls, 88, ihren Blutdruck, 138/90, und dann maß er ihre Temperatur, 39 – alle Werte waren zu hoch, die ersten beiden wegen des dritten und alle zusammen wegen dem, was sie befürchtete. Es hätte alles mögliche sein können, von ganz Simplem bis ganz Letalem, aber sie hatte diesen Mkusa-Jungen behandelt, und das unglückliche Kind lag im Sterben. Er ließ sie hier sitzen, nahm vorsichtig die Röhrchen und brachte sie zu seinem Arbeitstisch.
    Moudi hatte eigentlich Chirurg werden wollen. Als jüngster von vier Söhnen, Neffen des Führers des Landes,

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