Befehl von oben
sozusagen ein Art Arbeitsveranstaltung.
Das Klavier in der Nordostecke des Zimmers spielte leichte Klassik – nicht gerade das, was im Radio als U-Musik bezeichnet wurde, aber nahezu.
»Robby! Entschuldigung, Admiral Jackson«, korrigierte sich der Prince of Wales.
»Captain.« Jackson schüttelte ihm freundlich die Hand.
»Wie kommt er zurecht – wirklich, meine ich«, fragte der Prinz, was Jackson ein wenig betrübte. Doch der Mann hatte einen Job. Offiziell als Freund hergeschickt, wußte Robby, daß die Entscheidung politisch, gewesen war und daß bei der Rückkehr zur Botschaft. Ihrer Britischen Majestät ein Begegnungsbericht diktiert würde. So war das Geschäft.
Andererseits verlangte die Frage nach Antwort. Die drei hatten in einer heißen, stürmischen Sommernacht einmal kurz zusammen ›gedient‹.
»Vor ein paar Tagen hatten wir eine Besprechung im Generalstab, und morgen haben wir eine Arbeitssitzung. Jack hat die Sache voll im Griff«, entschied sich der J-3 zu sagen, mit Überzeugung in der Stimme.
Das mußte er auch. Jack war jetzt Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte; Jacksons Loyalität ihm gegenüber war eine Sache von Ehre und Gesetz, nicht nur eine menschliche.
»Und Ihre Frau?« Er warf einen Blick zu Sissy Jackson, die sich gerade mit Sally Ryan unterhielt.
»Immer noch Klavier Nummer zwei im nationalen Symphonieorchester.«
»Wer ist denn Nummer eins?«
»Miklos Dimitri. Größere Hände«, erklärte Jackson. Er hielt es für ungelegen, selbst ein paar familiäre Fragen zu stellen.
»Im Pazifik haben Sie sich tapfer geschlagen.«
»Ja, nun, glücklicherweise mußten wir nicht so viele umbringen.«
Jackson schaute seinem Nahezu-Freund in die Augen. »Das macht einem echt keinen Spaß, wissen Sie.«
»Wird er mit der Aufgabe fertig, Robby? Sie kennen ihn besser als ich.«
»Captain, er muß mit der Aufgabe fertig werden«, gab Jackson zur Antwort und blickte zu seinem Oberbefehlshaber und Freund, wohlwissend, wie sehr Jack offizielle Veranstaltungen verabscheute. Beim Zusehen, wie sein neuer Präsident die Begrüßungsprozedur über sich ergehen ließ, war es unvermeidlich, daß seine Gedanken zurückschweiften.
»Ein langer Weg vom Geschichtsunterricht an der Academy, Eure Hoheit«, stellte der Admiral im Flüsterton fest.
Für Cathy Ryan war dies in erster Linie eine Übung darin, ihre Hand zu schützen. Seltsamerweise kannte sie den Drill solcher offiziellen Anlässe besser als ihr Mann. Als Oberärztin am Johns Hopkins Wilmer Ophthalmological Institute hatte sie im Laufe der Jahre mit zahlreichen Spendenaktionen – im Grunde genommen Bettelei auf höherer Ebene – zu tun gehabt. Die meisten derartigen Veranstaltungen hatte Jack versäumt, oft zu ihrem Mißfallen. Hier stand sie also wieder, begrüßte Leute, die sie nicht kannte, die sie nie Gelegenheit haben würde zu mögen und von denen niemand ihre Forschungsprogramme unterstützte.
»Die Premierministerin von Indien«, sagte ihr Protokollbeamte leise.
»Hello.« Die First Lady lächelte zum Gruß und schüttelte die Hand, die glücklicherweise sanft war.
»Sie müssen sehr stolz sein auf Ihren Mann.«
»Ich bin auf Jack schon immer stolz gewesen.« Sie waren beide gleich groß. Die Premierministerin hatte eine dunkle Haut und blickte verkniffen hinter der Brille, wie Cathy sehen konnte. Vermutlich benötigte sie eine neue, und vermutlich bekam sie von der alten Kopfschmerzen.
Merkwürdig. Sie hatten doch gute Ärzte in Indien. Nicht alle von ihnen kamen nach Amerika.
»Und so reizende Kinder«, fügte sie hinzu.
»Wie nett von Ihnen, das zu sagen.« Cathy lächelte erneut, jetzt mechanisch, zu einer Feststellung, die genauso flüchtig hingeworfen war wie eine Bemerkung über Wolken am Himmel. Ein genauerer Blick in die Augen der Frau verriet Cathy etwas, das ihr nicht lieb war. Sie hält sich für besser als mich. Aber wieso? Weil sie Politikerin war und Cathy Ryan nur Chirurgin? Ob das wohl anders wäre, wenn sie Anwältin geworden wäre? Nein, vermutlich nicht, dachte sie weiter, mit der Anspannung, die gelegentlich eintrat, wenn bei einer Operation unerwartet Komplikationen auftraten. Nein, das war's überhaupt nicht. Cathy erinnerte sich an einen Abend, auch hier im East Room, als sie Elizabeth Elliot gegenüberstand. Damals fand sie sich derselben überheblichen Denkart gegenüber: Ich bin besser als du, wegen dem, wer ich bin und was ich tu. SURGEON – das war ihr Secret-Service-Deckname, der
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