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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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lassen.
    Außerdem hatte sein Land, genau wie Amerika, immer noch Bomber und Marschflugkörper, die mit Kernsprengköpfen bestückt werden konnten; der Nachteil war also eher theoretischer als praktischer Natur.
    Vorausgesetzt, die Chinesen schlossen sich derselben Theorie an! China jedenfalls hielt seine Streitkräfte in erhöhter Bereitschaft, und die Fernostgruppe der russischen Streitkräfte befand sich an einem historischen Tiefpunkt. Er beruhigte sich damit, daß die Chinesen jetzt, wo die Japaner aus dem Spiel waren, nichts unternehmen würden. Wahrscheinlich nicht, korrigierte er sich. Wenn die Amerikaner schon schwer zu verstehen waren, konnte man die Chinesen leicht für Bewohner eines anderen Planeten halten. Die Erinnerung genügte, daß die Chinesen einst bis zum Baltikum vorgedrungen waren. Wie die meisten Russen hatte Golowko gehörigen Respekt für Geschichte. Da lag er nun, dachte Sergej, im Schnee, einen Stock in der Hand, um den Wolf abzuwehren, dieweil er Heilung erhoffte. Sein Arm war immer noch kräftig und sein Stock lang genug, um die Fänge fernzuhalten. Was aber, wenn noch ein Wolf kam? Ein Dokument, das neben den Satellitenfotos lag, war der erste Vorbote davon, ein fernes Heulen am Horizont, von der Art, daß einem das Blut gefror. Golowko dachte nicht weit genug. Wenn man am Boden lag, war der Horizont ziemlich nah.
    Das erstaunliche war, daß es so lange gedauert hatte. Eine wichtige Person vor Attentaten zu schützen ist günstigstenfalls eine komplexe Aufgabe. Rücksichtslosigkeit hilft. Leute von der Straße zu greifen und verschwinden zu lassen ist ein Abschreckungsmittel von erheblichem Wert.
    Die Bereitschaft dazu, nicht nur Einzelpersonen, sondern ganze Familien – bisweilen ganze Großfamilien – zu schnappen und desgleichen zu tun: noch wirkungsvoller. Und Leute, die ›zu verschwinden‹ hätten – unerfreuliches Pseudoverb aus Argentinien –, läßt man von ›Nachrichtenquellen‹ auswählen. So umschreibt man höflich die Spitzel, belohnt in der Landeswährung, besser noch durch Macht, für Berichte über Gespräche von aufrührerischem Inhalt. Das geht so weit, daß ein bloßer Witz über jemandes Schnurrbart das Todesurteil für den Erzähler bedeuten könnte. Und bald genug, weil Institutionen eben Institutionen sind, haben Informanten ein gewisses Soll zu erfüllen; auch sind Informanten selbst Menschen mit Neigungen und Abneigungen, ihre Berichte also zuweilen von Neid oder Eifersüchteleien mitbestimmt, denn übertragene Macht über Leben und Tod korrumpiert den Kleinen genau wie den Großen. Schließlich wird das korrupte System selbst korrumpiert, und die Logik des Terrors erreicht ihren logischen Schluß: Das verschreckte Kaninchen, in die Enge getrieben vom Fuchs, hat nichts zu verlieren, wenn es angreift, und Kaninchen haben Zähne, und manchmal hat das Kaninchen auch Glück.
    Weil Terror allein nicht genügt, gibt es auch passive Maßnahmen.
    Einen wichtigen Mann zu meucheln kann als Aufgabe durch ganz simple Dinge erschwert werden, in einem despotischen Staat erst recht. Eine paar Reihen Leibwache, um Annäherung zu erschweren. Zahlreiche identische Wagen, in denen das Ziel des Anschlags sitzen könnte – in diesem Fall oft bis zu zwanzig –, und die Gewißheit ist hin, den richtigen zu treffen. Eine solche Person ist sehr beschäftigt, und so ist es zugleich eine Annehmlichkeit und eine Schutzmaßnahme, ein Double oder zwei zu haben, die öffentlich auftreten, Reden halten und das Risiko auf sich nehmen, als Gegenleistung für ein annehmliches Leben, die angepflockte Ziege auf der öffentlichen Bühne zu spielen.
    Dann kommt die Auswahl der Beschützer – wie aber findet man in einem Meer des Hasses wirklich unverseuchten Fisch? Am offensichtlichsten ist die Methode, sich Leute aus der eigenen Großfamilie zu nehmen, ihnen zu einem Lebensstil zu verhelfen, der absolut vom Überleben ihres Führers abhängig ist, und sie schließlich so eng einzubinden, in seinen Schutz und alles, was dazugehört, daß sein Tod für sie weitaus schwerer wiegt als der Verlust eines hochdotierten Regierungspostens.
    Daß das Leben der Beschützer von dem des Beschützten abhängt, motiviert ebenfalls stark zur Effizienz.
    Doch in Wirklichkeit läuft das Ganze auf eines hinaus. Eine Person ist unbesiegbar, weil die Leute sie für unbesiegbar halten, und so ist die Sicherheit, wie jeder entscheidende Aspekt im Leben, eine Sache der Einstellung.
    Aber Motivation ist

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