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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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sogar die Leute, die dem Mann, der schon tot war, gerade noch ihre Loyalität zugeschrien hatten, später nur an die Stille erinnern würden.
    Der Oberst machte sich keine Gedanken um einen zweiten Schuß.
    Ein hervorragender Scharfschütze, der nahezu jeden Tag mit seinen Kameraden trainierte, hatte er mit seinen hellwachen, starren Augen den Einschlag der Kugel gesehen. Er wandte sich nicht um und verschwendete keine Zeit mit fruchtlosen Bemühungen, sich zu verteidigen. Es lag kein Sinn darin, Kameraden zu töten, mit denen er Schnaps getrunken und Kinder geschändet hatte. Das würden bald andere besorgen. Er lächelte nicht einmal, wenn es auch witzig schien, daß Schnauzbart in einem Moment auf den Platz voller Leute schaute, die er wegen ihres grenzenlosen Jubels für ihn verachtete – im nächsten Allah ins Angesicht sah und sich fragte, was geschehen war. Dieser Gedanke hatte vielleicht zwei Sekunden Zeit, sich zu bilden, bevor er in seinem Körper den Einschlag der ersten Kugel spürte. Schmerz gab es nicht. Zu stark war er auf sein Ziel konzentriert, das jetzt flach auf den Steinen des Vorbaus lag, die Blutlache aus dem zertrümmerten Kopf schon verlaufend. Weitere Kugeln trafen ihn, und in seinen letzten Sekunden betete er zu Allah, bat um Vergebung und Verständnis, daß alle seine Verbrechen im Namen Gottes und seiner Gerechtigkeit begangen wurden. Ganz zuletzt vernahmen seine Ohren den Nachhall vom Geschrei des Mobs, der noch nicht begriffen hatte, daß sein Führer tot war.
    *
    »Ja, bitte?« Ryan schaute auf die Uhr. Verdammt, die zusätzlichen vierzig Minuten Schlaf hätten mir sicher gutgetan.
    »Mr. President, hier spricht Major Canon, Marine Corps«, verkündete die unbekannte Stimme.
    »Schön, Major, wer sind Sie, und was wollen Sie?« Jack blinzelte und vergaß, höflich zu sein, aber vermutlich würde der Offizier das verstehen.
    »Sir, ich bin wachhabender Kommunikationsoffizier. Wir haben einen Bericht höchster Glaubwürdigkeit, daß auf den Staatspräsidenten des Irak vor etwa zehn Minuten ein Attentat verübt wurde.«
    »Quelle?« fragte Jack sofort.
    »Kuwait und Saudi-Arabien, Sir. Im irakischen Fernsehen war es live zu sehen, bei irgendeiner Veranstaltung. Wir haben Leute dort, die deren Fernsehprogramme ständig verfolgen. Eine Aufzeichnung davon wird uns gerade übermittelt. Nach dem ersten Bericht war es ein Schuß aus einer Pistole direkt in den Kopf, geringe Entfernung.« Die Stimme des Offiziers klang nicht sehr bedauernd. Endlich haben sie den Scheißkerl erwischt! Natürlich konnte man dem Präsidenten das nicht ganz so sagen.
    Und man mußte herausfinden, wer ›sie‹ waren.
    »Okay, Major, was weiter?« Die Antwort kam prompt, und dann legte Ryan wieder auf.
    »Was war denn?« wollte Cathy wissen. Ehe Jack Antwort gab, schwang er sich aus dem Bett.
    »Der Präsident des Irak ist soeben erschossen worden.«
    Seine Frau hätte beinahe gesagt, gut, bremste sich aber. Der Tod einer solchen Person war nicht mehr eine so entfernte Vorstellung wie früher einmal. Wie seltsam, so in bezug auf jemanden zu empfinden, der der Welt am besten damit diente, daß er sie verließ.
    »Ist das von großer Bedeutung?«
    »In etwa zwanzig Minuten werden sie es mir sagen.« Ryan räusperte sich, ehe er fortfuhr. »Zum Teufel noch mal, ich war doch für diese Gebiete zuständig. Jawohl, es ist von außerordentlicher Bedeutung.«
    Und dann tat er, was jeder Amerikaner morgens tat. Er ging vor seiner Frau ins Bad. Cathy ihrerseits griff zur Fernbedienung, schaltete den Fernseher an und war überrascht, daß CNN nichts anderes brachte als Berichte darüber, wie genau welche Flughäfen ihre Flugpläne einhielten.
    Jack hatte ihr schon ein paarmal gesagt, wie gut die White-House-Fernmeldetruppe war.
    »Kommt was?« fragte er, als er wieder aus dem Bad kam.
    »Noch nicht.« Dann war sie dran.
    Jack mußte überlegen, wo seine Sachen waren, und fragte sich, was ein Präsident wohl anzog. Er fand seinen Morgenrock – hergebracht vom Naval Observatory, nachdem er von Eighth und First dorthin geschafft worden war und zuvor aus ihrer Wohnung … verdammt – und öffnete die Schlafzimmertür. Ein Agent vor der Tür reichte ihm drei Morgenzeitungen. »Danke!«
    Cathy sah das und blieb verdutzt stehen, als ihr aufging, daß die ganze Nacht über jemand vor ihrer Schlafzimmertür gestanden hatte.
    Sie wandte ihr Gesicht ab und setzte das Lächeln auf, das sonst dafür vorbehalten war, wenn sie in der

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