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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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auch eine Sache der Einstellung, und Angst ist noch nie das stärkste aller Gefühle gewesen. Im Laufe der Geschichte haben die Menschen weitaus häufiger ihr Leben aufs Spiel gesetzt aus Liebe, aus Patriotismus, für Prinzipien und für Gott, als daß sie aus Angst davongelaufen wären. Und von dieser Tatsache hängt der Fortschritt ab.
    Der Oberst hatte sein Leben schon auf so vielfältige Weise riskiert, daß er sich kaum noch an alle erinnern konnte, nur um auf sich aufmerksam zu machen, um sich als kleines Teil in einer großen Maschinerie anzubieten und dann in ihr aufzusteigen. Er hatte lange gebraucht, um so dicht an den Schnauzbart heranzukommen. Genauer gesagt: acht Jahre. In dieser Zeit hatte er ungerührten, unbarmherzigen Auges Männer, Frauen und Kinder gequält und getötet. Töchter hatte er vor den Augen ihrer Väter vergewaltigt, Mütter vor denen ihrer Söhne. Er hatte Verbrechen begangen, die zur Verdammnis der Seelen von Hunderten geführt hätten, weil es keinen anderen Weg gab. Er hatte Alkohol getrunken in Mengen, die einen Ungläubigen beeindrucken würden, um auch dieses Gebot seiner Religion zu beschmutzen. All das hatte er im Namen Gottes getan, um Vergebung gebetet und sich verzweifelt eingeredet, es stehe geschrieben, daß sein Leben so sein solle, daß er an nichts davon Gefallen gehabt hätte, daß die Leben, die er nahm, Opfer eines größeren Plans seien, daß sie ohnehin einmal sterben müßten und daß ihr Tod durch seine Hand so einem heiligen Zweck dienen würde.
    Das alles mußte er glauben, um nicht verrückt zu werden – er war ohnehin schon so dicht davor, daß seine feste Absicht inzwischen weit über die Bedeutung von ›Besessenheit‹ hinausging und er nur noch ein einziges Ziel kannte: als Vertrauter nahe genug heranzukommen für die Arbeit einer einzigen Sekunde, auf die dann unmittelbar sein eigener Tod folgen würde.
    Er wußte, er war zu dem geworden, was er und alle um ihn herum am meisten zu fürchten geübt waren. All die Vorträge und die Trinkgelage mit seinesgleichen führten immer wieder zum einen. Sie sprachen von ihrer Mission und deren Gefahren. Und endeten stets bei einem Thema. Der einzelne, fest entschlossene Attentäter: der, der gewillt ist, sein Leben wegzuwerfen wie eine Spielmarke, der Geduldige, der auf seine Chance wartet, das ist der Feind, den jeder Sicherheitsbeamte in der Welt fürchtet. Und das war der Grund für all die Prüfungen, die erforderlich waren, um den Schnauzbart zu schützen. Um hierher zu gelangen, mußte man verdammt sein vor Gott und dem Menschen, denn wenn man hierher gelangte, sah man die Wirklichkeit.
    Schnauzbart nannte er sein Ziel. Ganz und gar kein Mensch, ein Abtrünniger vor Allah, der den Islam ohne Bedenken schändete, ein Verbrecher solchen Ausmaßes, daß er in der Unterwelt einen eigens ausgestatteten Raum verdiente. Von fern sah Schnauzbart mächtig und unbesiegbar aus, aber nicht aus der Nähe. Seine Leibwächter wußten es besser, denn sie kannten alles, sahen seine Zweifel und Ängste, kleinliche Grausamkeiten, die er unverdient austeilte. Er hatte Schnauzbart nur so zum Spaß morden sehen, vielleicht nur, um zu sehen, ob seine Browning heute funktionierte. Hatte gesehen, wie er aus einem seiner weißen Mercedes sah, eine junge Frau erblickte, auf sie zeigte, Befehl gab und die Unglückliche für eine Nacht benutzte. Die mit Glück kehrten mit Geld und Schande nach Hause zurück. Die mit weniger schwammen den Euphrat hinab mit durchschnittener Kehle, nicht selten von Schnauzbarts eigener Hand, wenn sie ihre Unschuld zu eifrig verteidigt hatten. Aber so mächtig er war, so clever und gerissen er war, so ungeheuer grausam er war, unbesiegbar war er nicht. Und jetzt war seine Zeit gekommen, vor Allah zu treten.
    Schnauzbart trat aus dem Gebäude heraus auf den breiten Vorbau, die Leibwächter hinter ihm, den rechten Arm zum Gruß der versammelten Menge entgegengestreckt. Die Menschen auf dem Platz, hastig versammelt, brüllten ihre Bewunderung, an der Schnauzbart sich labte wie die Blume am Sonnenlicht. Und dann, drei Meter entfernt, zog der Oberst seine Automatik aus dem Lederhalfter, hob sie mit einer Hand und feuerte eine einzige Kugel genau auf den Hinterkopf seines Ziels.
    Die in der Menge vorn standen, sahen die Kugel aus dem linken Auge des Diktators hervorkommen, und es folgte einer jener Augenblicke in der Geschichte von der Art, da die ganze Erde scheinbar stillsteht, da Herzen aussetzen und da sich

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