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Befehl von oben

Befehl von oben

Titel: Befehl von oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Clancy
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indische Flotte lief wieder ihre Ausgangshäfen an, Manöver beendet, aber ein paar Schiffe beschädigt durch die amerikanische Demonstration, welche, wie die Premierministerin in anderen Worten durchblicken ließ, nicht gerade fair war. Solche Rabauken!
    Und was hält Sri Lanka wohl von Ihnen? hätte Ryan fragen können, tat es aber nicht.
    »Wenn Sie und Botschafter Williams sich über diese Frage besser hätten verständigen können«, stellte Ryan betrübt fest.
    »Solche Dinge passieren«, erwiderte die Premierministerin. »David – ehrlich gesagt, so nett dieser Mann auch ist, ich fürchte, das Klima ist zu heiß für einen seines Alters.« Deutlicher hätte sie Ryan nicht sagen dürfen, er solle den Mann entlassen. Botschafter Williams zur Persona non grata erklären wäre ein zu drastischer Schritt. Ryan gab sich alle Mühe, seinen Gesichtsausdruck zu beherrschen, versagte aber. Er brauchte Scott Adler hier, doch der Außenminister pro tempore war gerade woanders.
    »Ich hoffe, Sie haben Verständnis dafür, daß ich im Augenblick nicht in der Lage bin, ernsthafte Veränderungen im Regierungsapparat vorzunehmen.« Nur über Ihre Leiche!
    »Bitte, das habe ich gar nicht gesagt. Ich verstehe voll und ganz Ihre Situation. Ich hoffte, ein vermeintliches Problem beizulegen, um Ihre Arbeit zu erleichtern.« Oder ich könnte sie schwerer machen.
    »Haben Sie vielen Dank, Frau Premierministerin. Vielleicht könnte das Ihr hiesiger Botschafter mit Scott besprechen?«
    »Ich werde diesbezüglich gewiß mit ihm reden.« Sie schüttelte Ryan noch einmal die Hand und entfernte sich. Jack zählte mehrere Sekunden und schaute dann den Prinzen an.
    »Eure Hoheit, wie nennen Sie es, wenn Ihnen eine hochgestellte Persönlichkeit direkt ins Gesicht lügt?« fragte der Präsident mit einem bitteren Lächeln.
    »Diplomatie.«

9
    Fernes Heulen
    Golowko überflog Botschafter Lermonsows Bericht ohne Mitgefühl für den Betroffenen. Ryan wirke ›gequält und verlegen‹, ›ein wenig überfordert‹ und ›physisch erschöpft‹. Nun, das war zu erwarten. Die Rede anläßlich der Trauerfeier für Präsident Durling war, darin stimmte das ganze diplomatische Corps überein – mitsamt den amerikanischen Medien, die damit ihr Höflichkeitsspektrum stark strapazierten –, nicht die eines Präsidenten gewesen. Nun, jeder, der Ryan kannte, wußte, daß er sentimental war, besonders wenn es um das Wohlergehen von Kindern ging. Das konnte ihm Golowko leicht nachsehen. Russen waren ebenso veranlagt. Doch er hätte besser die offiziell vorbereitete Ansprache halten sollen. Golowko hatte sie gelesen. Sie war gut, voller Zusicherungen für alle Zuhörer – doch Ryan war schon immer gewesen, was die Amerikaner einen Maverick nannten (das Wort bedeutete ein herrenloses, ungezähmtes Pferd ohne Brandzeichen). Das machte es für den Russen leicht und unmöglich zugleich, Ryan zu analysieren. Ryan war Amerikaner, und Amerikaner waren teuflisch unberechenbar und waren es aus Golowkos Sicht immer gewesen. Sein ganzes Berufsleben lang, zunächst als Agent im Außendienst, dann als rasch emporstrebender Mitarbeiter in der Moskauer KGB-Zentrale, hatte er immer vorherzusagen versucht, was Amerika in allen möglichen Situationen tun würde, und hatte ein Versagen nur dadurch vermieden, daß er nie versäumte, in den Berichten an seine Vorgesetzten immer drei mögliche Handlungsweisen vorzulegen.
    Doch zumindest war Iwan Emmetowitsch Ryan berechenbar unberechenbar, und Golowko schmeichelte sich, Ryan als einen Freund zu betrachten – das ging vielleicht ein bißchen zu weit, aber die beiden Männer hatten miteinander das Spiel gespielt, die meiste Zeit jeweils von der gegenüberliegenden Seite des Feldes aus, und zum größten Teil hatten es beide geschickt und gut gespielt, Golowko als der erfahrenere Profi, Ryan als begabter Amateur und mit dem Vorteil eines für Mavericks toleranteren Systems. Zwischen ihnen gab es Respekt.
    »Was magst du jetzt wohl denken, Jack?« flüsterte Sergej vor sich hin.
    Jetzt im Augenblick schlief der neue amerikanische Präsident natürlich, acht Stunden hinter Moskau zurück, wo die Sonne gerade im Begriff war, für einen kurzen Wintertag aufzugehen.
    Botschafter Lermonsow war nicht so sehr beeindruckt gewesen, und Golowko würde dem Bericht seine eigenen Anmerkungen hinzufügen müssen, damit seine Regierung dieser Einschätzung nicht zu viel Gewicht beimaß. Ryan war ein viel zu geschickter Gegner der UdSSR

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