Befreiung vom Schleier - wie ich mich von meinem türkischen Freund und aus der islamischen Parallelwelt lösen konnte
später habe ich Bülent dann noch einmal am Telefon gesprochen. Ich habe ihm von der bevorstehenden Veröffentlichung von Gefangen in Deutschland erzählt. Seine Reaktion übertraf alle meine Erwartungen: »Ich kann dich verstehen und finde es auch gut, dass du öffentlich machst, was du mit dem Arschloch durchgemacht hast. Endlich mal jemand, der ihm die Stirn bietet und sich nicht vor Angst verkriecht.« Bülent schwieg einen Moment, dann fuhr er fort: »Leider haben wir von diesen Idioten, wie mein Cousin einer ist, viel zu viele in Deutschland. Das ist auch der Grund, warum mir das Buch von Sarrazin gefällt. Seine Sichtweise über die Genvererbung finde ich zwar grenzwertig, aber in fast allem anderen hat er recht.«
Ungläubig hörte ich ihm zu. »Und du bist nicht sauer, weil es deine Familie ist, über die ich schreibe?«, vergewisserte ich mich.
»Warum sollte ich sauer sein?«, fragte er zurück. »Mahmud hat dich jahrelang behandelt wie ein Tier und nun bekommt er endlich die Konsequenzen zu spüren. So einfach ist das.« Damit war das Thema für ihn beendet und wir verabschiedeten uns.
Die letzten zwei Tage vor dem Erscheinungstermin konnte ich kaum schlafen. Es ist eine Sache, ein Buch zu schreiben, aber eine ganz andere, zum Teil sehr intime Erfahrungen wildfremden Menschen mitzuteilen.
Trotzdem gab es mittlerweile nichts auf der Welt, was ich so sehr wollte wie dieses Buch.
Ich wollte möglichst viele Frauen mit meiner Geschichte erreichen und ihnen Mut und Hoffnung machen. Ich wollte auf die Thematik der häuslichen Gewalt aufmerksam machen, und ich wollte vor allem endlich den vielen misshandelten Frauen in bikulturellen Partnerschaften ein Gesicht geben. Nie wieder sollten sie diesen einen Satz als Reaktion darauf zu hören bekommen, wenn sie sich überwanden und ihrem Umfeld anvertrauten: »Aber das hättest du doch wissen müssen! Was nimmst du dir auch einen Ausländer!? Die sind doch bekannt dafür, dass sie immer gleich ausrasten und zuschlagen.«
Dieses Schubladendenken macht mich einfach wütend und in einer Kolumne habe ich erst vor ein paar Monaten Folgendes dazu geschrieben:
»DAS HÄTTEST DU DOCH WISSEN MÜSSEN!!!«
Die eine oder andere von Ihnen wird diesen Satz bestimmt auch schon gehört haben, falls Sie mal in einer bikulturellen Beziehung gelebt haben oder immer noch leben.
Ich habe diesen Satz in den letzten zwei Jahren bestimmt hundertmal zu hören bekommen, wenn Menschen mich auf mein Buch Gefangen in Deutschland angesprochen haben.
Am Anfang habe ich nicht so recht verstanden … WAS hätte ich denn wissen müssen?
Wenn ich diese Gegenfrage stelle, werde ich immer ein bisschen so angeschaut, als ob ich nicht ganz zurechnungsfähig wäre.
Ja, ich hätte doch wissen müssen, dass mein Freund gewalttätig ist, bekomme ich dann in einem Ton zur Antwort, in dem man auch einem kleinen Kind erklärt, dass es sich die Finger verbrennt, wenn es auf die heiße Herdplatte fasst.
Am Anfang dämmerte es mir immer noch nicht … WARUM hätte ich es denn wissen müssen?
In der Regel wird mein Gegenüber bei dieser Frage schon ungeduldiger. Ja, weil er doch Türke ist, versucht man mich dann zu belehren … Die sind doch bekannt dafür, dass sie immer gleich zuschlagen!
Ah ja. Ich klatsche mir mit der flachen Hand vor die Stirn. Natürlich, ich hätte es wissen müssen! Ich dummes Blondinchen hätte doch wirklich wissen müssen, dass grundsätzlich alle Türken Schläger sind, und die von vornherein bei meiner Partnerwahl ausschließen müssen.
Ja, nun weiß ich das dank meines Gegenübers und kann das zukünftig berücksichtigen!
Sollte ich jemanden kennenlernen, der auch nur entfernt türkisch aussieht, frag ich erst gar nicht nach seinem Namen, sondern lass mir sicherheitshalber gleich den Ausweis zeigen.
Natürlich könnte ich auch nur nach dem Namen fragen, aber was mache ich, wenn er vielleicht einen türkischen Vater und eine deutsche Mutter hat und die Eltern sich auf einen deutschen Namen geeinigt haben. Dann habe ich am Ende eine Mogelpackung! Vor mir steht dann ein Michael, der eigentlich ein Ali ist, aber dann kommen die türkischen Gene durch und seine Schläge treffen mich ganz unvorbereitet. Nein, mit mir nicht mehr! Fehler soll man ja bekanntlich nicht zweimal machen.
Nein, nun mal im Ernst. Eine solche Denkweise macht mich auch heute noch fassungslos.
Einen Menschen nur aufgrund seiner Herkunft als › Schläger ‹ einzuordnen finde ich äußerst
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