Befreiung vom Überfluss: Auf dem Weg in die Postwachstumsökonomie (German Edition)
insgesamt positiv sei, weil der fossile Input zur Herstellung nur einen Bruchteil des späteren Outputs an regenerativer Energie betrage. Aber wie kann der Schaden zusätzlich verbrauchter fossiler Energie durch einen noch so üppigen Zuwachs an regenerativer Energie aufgehoben werden? Eine Möglichkeit bestünde höchstens dann, wenn die zusätzliche regenerative Energie im Rahmen anderer Prozesse fossile Energie substituieren kann (z.B. Beleuchtung). Dies wiederum würde einen dortigen Rückbau fossiler Wertschöpfung implizieren, womit sich die Frage stellt, ob im Saldo daraus eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts resultiert. Andernfalls läge kein Wachstum vor und wir könnten wohl kaum von Entkopplung sprechen.
Räumliche Verlagerung: Eine Studie des Schweizer Bundesamtes für Umwelt aus dem Jahr 2011 förderte zutage, dass 60 Prozent aller Umweltschäden, die von Schweizer Bürgerinnen und Bürgern verursacht werden, außerhalb des Landes zu verorten sind. Dieser Befund dürfte auf andere Konsumgesellschaften nicht minder zutreffen. Die räumliche Verlagerung der besonders umweltintensiven Bestandteile von Herstellungsketten bildet das Merkmal globalisierter Versorgungsstrukturen. Darüber hinaus haben sich während der vergangenen Jahre zusehends Nachfragemuster herausgebildet, deren besonderer Akzent auf jenen Elektronik- und IT-Endgeräten liegt, deren Produktion nicht erst verlagert werden musste, sondern von vornherein in Asien stattfindet.
Technische Verlagerung: Effizienzsteigerungen mittels Digitalisierung sind ein Beispiel dafür, dass Energieeinsparungen oft nur zum Preis neuer Umweltschäden realisierbar sind. Das gigantische Elektroschrottaufkommen infolge ausgerechnet jener IT-Innovationen, denen besondere Energieeffizienz zugeschrieben werden, erreicht sowohl quantitativ als auch qualitativ ungeahnte Dimensionen. Ein anderes Beispiel liefern Energiesparlampen: Neben der Schwierigkeit, die Leuchten ökologisch verträglich zu entsorgen, sind hier auch gesundheitliche Risiken relevant.
Finanzielle Rebound-Effekte
Durch Effizienz hervorgerufene Rebound-Effekte
Schon der englische Ökonom William Stanley Jevons fand 1866 heraus, dass der Verbrauch einer Ressource keineswegs sinken muss, wenn dessen Effizienz steigt. Der von ihm aufgedeckte »Rebound-Effekt« wird damit begründet, dass mit zunehmender Effizienz eben auch die Kosten der Produktion sinken. Wenn Unternehmen derartige Kosteneinsparungen nutzen, um durch Preissenkungen Konkurrenzvorteile zu erzielen, steigert dies tendenziell die Nachfrage. Folglich ist nicht auszuschließen, dass der Verbrauch des effizienter verwendeten Inputs insgesamt sogar steigt. Ähnliche Folgen sind denkbar, wenn die Effizienzvorteile in Form sparsamer Produkte (Passivhäuser, Drei-Liter-Autos, stromsparende Hausgeräte etc.) den Nachfragern zugute kommen, sodass diese infolge verringerter Energiekosten zusätzliche Kaufkraft für andere Güter haben. Somit kann der ohnehin nur relative Entkopplungseffekt durch eine Nachfragesteigerung sogar ins Gegenteil verkehrt werden.
Um dies zu vermeiden, schlägt beispielsweise Ernst Ulrich von Weizsäcker vor, den Preis jener Ressourcen, deren Produktivität gestiegen ist, gezielt zu erhöhen. Aber es ist schwer vorstellbar, dass eine bislang blockierte Steuerlösung, die weit über das homöopathische Niveau der deutschen Ökosteuer hinausreichen müsste, plötzlich mit der Begründung durchsetzbar wäre, Effizienzgewinne abzuschöpfen. Wie gelänge zudem eine umweltpolitische Feinsteuerung, durch die gezielt jene Kaufkraft abgeschöpft wird, welche aus den Effizienzsteigerungen einer bestimmten Branche oder eines einzelnen Anbieters resultiert? Sie würde unweigerlich auf eine Diskriminierung ausgerechnet derjenigen hinauslaufen, die als Innovatoren oder Nachfrager die Effizienzsteigerung befördern. Käme es hingegen zu einer einheitlichen Energiebesteuerung, so bestünden die Reaktionen des Gesamtsystems keineswegs nur in technischen Innovationen. Ebenso gut könnte darauf mit Outputreduktionen reagiert werden, was natürlich dem Wirtschaftswachstum abträglich wäre. Letzteres widerspräche der Entkopplungslogik.
Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass Einkommenszuwächse, die infolge gesteigerter Effizienz entstehen, zu vermehrten Ausgaben in jedem ökonomischen Segment und an jedem beliebigen Ort der Welt führen können. Eine Person, die ein Passivhaus bewohnt, einen nur 1,5 Liter Diesel verbrauchenden
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