Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
der hilfsbereite Direktor. »Wenn Sie morgen früh mit der planmäßigen Maschine nach Algier fliegen, sind Sie einen Tag früher da als Ihr Verlobter. Um die Einreiseerlaubnis werde ich mich selbst kümmern. Das wird eine Überraschung geben; er geht von Bord, und wer steht an der Mole? Sie!«
    Bettina nickte und gab das Glas zurück zu dem stillen Hafenbeamten, der hinter ihnen stand.
    »Wie soll ich Ihnen danken?« fragte sie leise. Die Müdigkeit ließ sie schwanken. Galant faßte sie der Direktor unter.
    »Der Dank einer schönen Frau ist immer die Bestätigung, daß sie glücklich ist. Werden Sie glücklich, Mademoiselle.«
    »Das werde ich sein!«
    Und das klang fest und entschlossen, wie damals in Tiflis, als die Flucht in eine unbekannte Welt begann.
    *
    Das neuerbaute Verteidigungsministerium auf der Bonner Hardthöhe, im Volksmund ›Pentabonn‹ genannt, glänzte mit seinen Hunderten von Fenstern in der Sonne, als Karl Wolter sich mit einer Taxe vom Hauptbahnhof zum Ministerium bringen ließ. Bevor sie auf den großen Parkplatz fuhren, ließ Wolter anhalten, stieg aus und betrachtete den imposanten Bau aus der Ferne. Der Taxifahrer schob die Mütze in den Nacken und beobachtete den seltsamen Fahrgast, der kopfschüttelnd auf der Straße stand. Ein merkwürdiger Vogel, dachte er. Als ob er noch nie solch'ne Steinlandschaft gesehen hat. Kommt wohl vom Lande, der gute Onkel.
    Nachdenklich stieg Wolter nach ein paar Minuten wieder in den Wagen und lehnte sich zurück. Der Fahrer drückte seine gerade angerauchte Zigarette aus.
    »Weiter?« fragte er.
    Wolter nickte. »Ja«, sagte er kurz.
    »Toller Bau, was?« Der Fahrer zeigte auf das ›Pentabonn‹. »Haben Sie noch nie gesehen?«
    »Nein. Ich komme aus Rußland.«
    »Ach! Wie lange sind Sie jetzt hier?«
    »Knapp vier Wochen.«
    »Mann, nehmen Sie mich nicht auf'n Arm!« Der Fahrer schaltete den Motor aus. »Sagen Sie bloß noch, Sie wären bis vor vier Wochen Kriegsgefangener gewesen.«
    »Das nicht. Aber ich bin als Plenny drüben geblieben.« Wolter sah wieder auf den riesigen Bau des Ministeriums. Er verstand das alles einfach nicht. Alle wollten den Frieden, keiner dachte an Feindschaft, sie alle verfluchten den Krieg … die Bauern an den Hängen des Kaukasus, die Bürger von Tiflis, die Nomaden in der Kirgisensteppe, die Fischer am Kaspischen Meer … und überall auf der Welt, ganz gleich, wohin man kam und wen man fragte … sie alle verdammten den Krieg.
    Und trotzdem gaben die Staaten Milliarden aus für Waffen und Raketen, für Panzer und Flugzeuge. Milliarden, die aus der Welt einen blühenden Garten machen könnten, wenn sie statt in den Irrsinn in den Aufbau der Länder und Völker gesteckt würden.
    »Wollen Sie Krieg?« fragte Wolter den Taxifahrer. Die Frage kam so plötzlich, daß der Angesprochene erst nach Worten suchen mußte.
    »Wohl verrückt, was? Krieg! Wozu?«
    »Aber alle rüsten.«
    »Der Russe, Mann …«
    »Auch der Muschik will keinen Krieg. Auch der Jäger in der Taiga nicht. Und erst recht nicht die Arbeiter in den großen Werken. Sie leben, wie wir, glücklich; sie haben ihr Essen, ihre Wohnung, ihren Fernsehapparat, ihren Urlaub.«
    »In Rußland? Mann! Sie sind ja Kommunist! Lesen Sie mal unsere Zeitungen, wie die über die Sowjets schreiben. Wie dreckig es denen geht.«
    »Und man glaubt das hier?«
    »Natürlich!«
    »Fahren Sie!« Karl Wolter beugte sich vor und starrte auf das riesige Ministerium. »Es hat sich in Deutschland wirklich nichts geändert! Und die da« – er zeigte auf das ›Pentabonn‹ – »leben davon, nicht wahr?«
    Der Fahrer schwieg. Man soll sich mit Fahrgästen nicht politisch streiten, es kommt nichts dabei heraus. Jeder soll nach seiner Art selig werden. Der eine liebt die Mutter, der andere liebt die Tochter … gut, wenn beide glücklich sind.
    Im Ministerium mußte Karl Wolter zunächst warten, als er seinen Wunsch vorgebracht hatte, seinen Sohn, den Oberleutnant Wolfgang Wolter, zu sprechen. Er wurde von einer Ordonnanz abgeholt, bekam vorher einen Laufzettel, wurde durch lange Gänge geführt, fuhr mit Fahrstühlen herum und verlor völlig die Orientierung. Ein Labyrinth von Gängen, Türen, Fluren, Zimmern war es, und Wolter trottete hinter dem Unteroffizier, der ihn führte, her wie ein Hammel, der mit dumpfer Gelassenheit zum Schlachten geführt wird.
    In einem kleinen, lichtdurchfluteten Zimmer stand er dann einem Major gegenüber, der ihm beide Hände entgegenstreckte und ihn mit

Weitere Kostenlose Bücher