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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Protokoll machen. Soll ich zurückgeschickt werden zum Teufelsmütterchen Dunja? Soll ich sterben unter ihren Schlägen? Willst du das?«
    Sie sah ihn aus großen blauen Augen an, und in Dimitri entstand ein Sternenhimmel, und es war ein ganz großer Stern, der herumflog und alle anderen blank putzte.
    »Diese Dunja muß ein Satan sein«, sagte er gepreßt. »Gut war's, wegzulaufen, Wanda Fjodorowa! Seien wir Mensch und nicht Beamter – du weißt, wie selten so etwas ist – und schreiben wir in den Bericht: Nichts Neues!«
    »Ich danke dir, Dimitri Sergejewitsch.« Bettina stellte sich auf die Zehenspitzen, machte die Lippen kraus und gab Dimitri einen Kuß. O Freunde, kennt ihr die Wirkung, wenn zwischen hohen Bergen ein Donner grollt? Dann schwankt die Erde, die Ohren dröhnen, das Herz wird schwer, der Kopf scheint zu zerspringen – kurzum, man ist nicht mehr normal. Und so erging es Dimitri nach diesem Kuß. Er schluckte mehrmals, in seinen Handflächen sammelte sich Feuchtigkeit, sein Hirn sagte: Oje, bist du ein glücklicher Mensch! Gratuliere, Dimitri, aber sein Mund blieb stumm, und nur seine dunklen Augen wurden trübe vom Herzbluten, und sein Kehlkopf zuckte. Dann umarmte er Wanda Fjodorowa, entschuldigte sich vorher: »Man muß dich trösten, armes Vögelchen«, und küßte sie dann mit einer Glut, die Bettinas inneren Widerstand wegsengte wie eine Feuersbrunst.
    Dann standen sie sich gegenüber, schwer atmend, sahen sich an und waren sehr verlegen. Dimitri war's, der zuerst sprach. »Der Mondschein macht's«, sagte er stockend. »Ich bin empfindlich gegen diesen Magnetismus.«
    »Es ist ein schöner Mond«, sagte Bettina und lehnte sich gegen die stählerne Röhre der Ölleitung. Was ist mit mir, dachte sie erschrocken. Ich habe keine Angst mehr. Nicht einmal das Gefühl, in einem fremden Land zu sein, beunruhigt mich. Es ist, als hätte das alles seine Richtigkeit, daß ich hier stehe, und vor mir steht Dimitri und hat mich geküßt. »Ich liebe den Mond«, sagte sie leise.
    »Noch schöner ist die Sonne.«
    »Ich habe Angst vor der Sonne.«
    »Warum, Wanduscha?«
    »Der Mond gehört jetzt uns – die Sonne wird uns auseinandertreiben.«
    »Das wird nicht so sein.« Dimitri beugte sich etwas vor, streckte die Arme aus und zog den Pullover über den Kopf. Ein hellblaues Baumwollhemd trug er darunter, und in dem Gürtel, der die Hose hielt, stak ein Futteral mit einer Pistole. »Zieh den Pullover an«, sagte er. »Kühl ist's. Du zitterst.«
    Bettina nahm den Pullover und streifte ihn über. Viel zu groß war er. Bis zu den Knien fast reichte er ihr. Und in den Ärmeln verschwanden ihre Hände, als habe man sie abgehackt. Dimitri lachte, und sie dachte: Schöne Zähne hat er. Ein gefährlicher Mensch ist er, zu schön fast für einen Mann, zu ebenmäßig, zu sicher, zu jungenhaft und doch männlich bewußt. Und was das Gefährlichste ist und den meisten schönen Männern fehlt: Klug ist er auch.
    Sie nahm sich vor, auf der Hut zu sein und sich ganz fest zu zwingen, nicht dem Zauber nachzugeben, der sich um ihr Herz auszubreiten begann.
    »Jetzt siehst du wie ein Junge aus«, sagte er lachend. »Wie ein verwahrloster, verlauster, trotziger, böser Junge.«
    »Vielleicht ist das besser so, Dimitri Sergejewitsch.«
    »Nur deine Lippen sind anders.«
    »Wohin willst du mich bringen?« fragte Bettina und vermied es, ihn anzusehen.
    »Zu deinem Onkelchen Wanja, natürlich.«
    »Ich weiß nicht, wo er wohnt. Nur Tiflis, das wußte ich.«
    »Und wie heißt er?«
    »Wassilij Iwanowitsch Tschigirin«, sagte Bettina schnell. Ein Name, der ihr gerade einfiel, aber Dimitri zog das Kinn an und kraulte sich in den schwarzen Locken.
    »Doch nicht der Genosse Tschigirin, der in der Zentralverwaltung sitzt?«
    Ein eisiger Schreck durchzog Bettina. Es gibt diesen Tschigirin wirklich, dachte sie. O Gott, was wird daraus? Sie hob die Schultern, aber sie war zu müde, um weiter zu lügen.
    »Wenn er Wassilij Iwanowitsch heißt …«
    »Ich glaube es.« Dimitri sah sich um. Neben der Ölleitung lag ein zusammengeschnürtes Bündel. Er ging hin, hob es auf und klemmte es unter den Arm. Dann blieb er stehen und neigte lauschend den Kopf. Von der Straße hinter dem Berg hörte er Motorenlärm. Lastwagen oder sogar Panzer rollten dort durch die Nacht.
    »Ein Manöver haben sie«, sagte er, denn auch er wußte nichts von einem gesuchten Mädchen aus einem deutschen Flugzeug. Die Nachrichtensperre Oberst Jassenskijs war vollkommen.

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