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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Jassenskij. Professor Semlakow hatte seinen Ausflug entdeckt. Entgegen allen Gepflogenheiten hatte Semlakow am Nachmittag noch einmal den Patienten Andresen sehen wollen, und siehe da, der Mann war nicht da. Einen Krach gab es, als sei die ganze Apotheke gestohlen worden, und als Andresen nichtsahnend durch den Heizungskeller wieder zu seinem Zimmer humpelte, fing ihn Semlakow selbst ab und nahm ihn ins Verhör.
    Und Andresen, ratlos über das, was er gesehen hatte, erzählte alles.
    »Wie sah sie aus?« fragte Oronitse.
    »Was hatte sie an?« keuchte Jassenskij.
    Andresen rauchte langsam seine Zigarette, eine Vorausbelohnung für seine Aussagen.
    »Wie immer sah sie aus«, antwortete er. »Sie trug ein Sommerkleid aus blauem Leinen, an den Rändern mit Weiß eingefaßt, ich glaube, man nennt das Paspelierung.« Andresen sagte es ganz ruhig, etwas versonnen, als erinnere er sich jetzt ganz genau. »Ja, und ein Mann war bei ihr.«
    »Ein Mann?« rief General Oronitse.
    »Ein kleiner Mann, dicklich, mit einer Knollennase. Wie ein Säufer sah er aus. Und widerliche Haare hatte er. Rotblond. Und keine Wimpern. Wie ein Schweinchen sah er aus.«
    »Eine wunderbar genaue Beschreibung«, sagte Oberst Jassenskij fröhlich. »Es wird nicht schwerfallen, dieses Schweinchen zu fassen. Weitär, Härr Andresen.«
    »Weiter nichts. Sie flog an mir vorbei, ein paarmal, ich habe sie deutlich erkannt. Ich habe sie noch gerufen, aber sie hörte mich nicht.« Andresen zerdrückte die Zigarette und hielt die Hand auf, Oronitse gab ihm eine neue Papirossa. »Auf jeden Fall ist sie gesund und unverletzt. Das beruhigt mich.«
    »Uns auch, uns auch«, sagte Oronitse säuerlich. »Wir danken Ihnän …«
    Andresen wurde zurückgeführt in sein Zimmer. Er war zufrieden. Seine Dummheit, aus der ersten Erschütterung geboren, hatte er, so gut es ging, wieder gutgemacht. Man glaubte ihm das blaue Kleid und den kleinen, schweinchenähnlichen Mann.
    Mach's gut, Betti, dachte Andresen und legte sich ins Bett. Was immer du auch vorhast … viel Glück.
    In dem Zimmer Professor Semlakows saßen sich Oronitse und Jassenskij gegenüber und waren sich zum ersten Male einig. Jassenskij, als Mann der GRU an logische Zusammenfassungen gewöhnt, referierte.
    »Wir haben jetzt ein klares Bild: Bettina Wolter ist es gelungen, aus den Bergen zurückzukommen in die Stadt und Anschluß an einen Bürger zu finden. Ein ehrvergessener Bursche, dieser Mann, aber wir werden ihn bestrafen, wie's ihm gebührt. Sie ist eingekleidet worden, sie fühlt sich sicher, sie denkt gar nicht daran, zur türkischen Grenze durchzubrechen. Daraus geht klar hervor, daß sie einen bestimmten Auftrag hat.« Jassenskij sah Oronitse triumphierend an. »Wer hat das immer gesagt, Fjodor Nikolajewitsch?«
    »Weiter!« brummte Oronitse. Die Selbstbeweihräucherung Jassenskijs stank ihm zu sehr nach Angstschweiß.
    »Machen wir jetzt die Türe zu, Genosse.« Jassenskij hieb mit der Faust auf den Tisch. »Alle Zeitungen anhalten! Auf die erste Seite das Bild der Bettina Wolter. Aufruf an alle Bürger: Es ist nationale Pflicht, dieses Mädchen der Miliz zu übergeben! Beschreibung ihres Begleiters. Wer sie abliefert, dem ist ein Lob aus Moskau sicher. Ein Diplom als Aktivist. Das zieht immer. Alle Morgenzeitungen müssen das Bild bringen.« Jassenskijs Stimme wurde zur Fanfare. »Wir haben das Schmetterlingchen, Fjodor Nikolajewitsch. Es flattert uns direkt ins Netz.«
    General Oronitse schwieg. Er war nicht mißgünstig, nie war er es gewesen; aber diesen Erfolg gönnte er Jassenskij nicht, weil er ein so unsympathischer Mensch war.
    *
    Die Morgenzeitungen erschienen.
    Auf der ersten Seite war ein großes Bild. Ein deutsches Mädchen in der Uniform einer Luft-Stewardeß. Es lächelte etwas kühl die Tifliser an, das Schiffchen saß schräg auf den blonden Haaren; ein hübsches Täubchen, unnahbar und fremd, wie ein Eisvogel aus dem Norden.
    Dimitri war schon früh aus dem Haus gegangen. Er hatte Dienst im Pumpwerk. Bettina hatte eine Tasche und ein Netz genommen und war hinunter zum Markt gegangen, um einzukaufen, was sie seit zehn Tagen jeden Morgen tat.
    »Ruh dich aus, Väterchen«, hatte sie gesagt. »Jetzt koche ich. Ihr sollt merken, daß eine Frau im Haushalt ist.« Und Kolka war's zufrieden. Er konnte jetzt lesen, seine Platten hören, ging spazieren und fühlte sich richtig wie ein zufriedenes Großväterchen, dem immer die Abendsonne scheint.
    Jeden Morgen ging Kolka um die Ecke zu

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