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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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brach für Kolka zusammen, als auch Galina starb. Er hatte sie sehr geliebt. Nun hatte er nur noch seinen Dimitri auf Erden, und für ihn sorgte er wie Vater und Mutter zusammen, wie eine Bärin, die ihr Junges in der eisigen Höhle an ihr Fell drückt.«
    »O Väterchen«, stöhnte Dimitri. »O Himmel! Warum hast du das nie erzählt? Warum hat Mütterchen es nie verraten? Ein anderes Weltbild hätte ich bekommen.«
    »Dazu ist es nie zu spät, Dimitri.« Kolka legte die erkaltete Pfeife weg. »Auch ich habe die Zeit heute zurückgedreht. Manchmal gelingt es, Söhnchen. Man sagt, nur Gott könne es, aber er mache keinen Gebrauch davon. Sieh her … an uns ist sein Wunder geschehen. Ich bin aus einem Grab emporgestiegen. Ich bin wieder Karl Wolter aus Göttingen.«
    »Das ist unmöglich.« Dimitri sprang auf, der Stuhl polterte auf die Dielen. »Du bist mein Kolka!« schrie er.
    »Ich werde immer dein Väterchen bleiben, Dimitri!« Kolka reckte sich im Sitzen. Es war, als erwache er aus einem tiefen, gesunden Schlaf. In den Gelenken knackte es, und Dimitri sah zum erstenmal mit Bewußtsein, wie stark noch die Muskeln des Alten waren. »Aber die Welt ist anders geworden, Söhnchen. In Deutschland leben meine Frau und meine Kinder. Sie kamen nicht unter den Trümmern um. Im Keller überlebten sie, und man grub sie aus. Das alles weiß ich seit heute morgen. Dimitri, mein Junge … zweiundzwanzig Jahre sind weggewischt.«
    Dimitri Sergejewitsch stand bebend am Fenster. Trotz der glühenden Mittagshitze fror er.
    »Und … und Wanda Fjodorowa?« stotterte er. Auf die umgedrehte Zeitung sah er, und was er dachte, war so ungeheuerlich, daß er es nicht aussprechen wollte, sondern es hören mußte von Kolka Iwanowitsch.
    »Wanduscha ist meine Tochter Bettina«, sagte Kolka ruhig. »Ja, sie ist es, Dimitri. Das Bild … keine Doppelgängerin ist's. Du liebst eine Deutsche, Söhnchen.«
    Dimitri drehte sich zum Fenster und starrte hinaus. Über Tiflis flimmerte die heiße Luft, verzerrte die Minaretts der Moscheen und ließ die Dächer glänzen wie eingewachst. Still war es in den Straßen, nur ein paar Autos und Karren fuhren durch die Sonnenglut. Wer klug war, hockte im kühlen Haus und aß saftige Melonenscheiben.
    »Nun ändert sich alles, nicht wahr, Dimitri?« fragte Kolka.
    Dimitri Sergejewitsch schüttelte langsam den Kopf.
    »Nein, Väterchen. Nein. Ich liebe sie.«
    »Dann geh hinein und sag es ihr.« Kolka klopfte seine Pfeife aus, stopfte sie neu und stand auf, um zum Herd zu gehen, das Gas wieder anzudrehen und die Soße für das Fleisch weiter einzurühren.
    Mit schweren Schritten, als sei er von der Ölleitung bis nach Hause im Laufschritt gerannt und habe nun das Blei der Müdigkeit an den Füßen kleben, ging Dimitri zur Tür von Kolkas Kammer, öffnete sie, trat ein und zog sie hinter sich zu. Kolka begann laut im Topf zu rühren; er wollte nicht hören, was hinter der Wand gesprochen wurde, und außerdem brauchte er Lärm, um seinen inneren Aufruhr zu besänftigen.
    Bettina saß im Bett und lehnte sich gegen die Wand. Sie sah Dimitri stumm an, als er die Tür hinter sich schloß und an ihr stehenblieb.
    So sahen sie sich an, eine lange Zeit, mit Qual in den Augen und vielen stummen Fragen.
    »Er hat dir alles erzählt?« fragte Bettina leise. Ihre Stimme war fremd. Dimitri zuckte zusammen, als er sie hörte.
    »Ja«, antwortete er. »Alles.«
    »Wenn die Hitze nachgelassen hat, am Nachmittag, werde ich gehen.«
    »Wohin?« frage Dimitri zurück. In seinem Hals saß ein würgender Stein.
    »Durch den kleinen Kaukasus zur türkischen Grenze.«
    »Und Väterchen?«
    »Er will mit. Zurück nach Deutschland.«
    »Und ich?«
    Bettina schloß die Augen und wandte den Kopf weg. Ein Zucken durchlief ihren Körper. »Ich weiß es nicht …«, stammelte sie.
    Da spreizte Dimitri die Hände und stieß sich von der Wand ab. »Ich liebe dich, Wanduscha!« schrie er. »Bei Gott, bei der Seele meiner Mutter, ich liebe dich!« Er stürzte zu ihr, riß sie vom Bett hoch in seine Arme und umklammerte sie wie ein Ertrinkender seinen Retter. »Du gehst nicht von mir, Wanduscha. Du darfst nicht gehen! Den Schädel renne ich mir ein, wenn du gehst! Was ist mein Leben noch ohne dich? Sag es, sag es doch … was ist es denn? Kann ein Adler fliegen ohne Himmel? Kann ein armseliger Wurm kriechen ohne Erde? Du bist alles, alles für mich!« Und dann legte er den Kopf an ihre Brust, schloß die Augen und Tränen kamen ihm, dem harten

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