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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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vergoldeten Decke und seufzte.
    »Macht nichts«, sagte er dann. »Ich zeige ihn euch, und ihr erzählt ihm, wie fortschrittlich unser Land ist.«
    Um 20.17 Uhr, nachdem Dimitri ein paar Worte mit anderen Kongreßteilnehmern gewechselt hatte, verließ er den Saal und durchquerte die große Hotelhalle.
    Niemand beachtete ihn, keiner hielt ihn auf, es war niemand da, der hinter einer Säule hervorsprang und »Stoij!« schrie. Ungehindert konnte er das Hotel ›Arab‹ verlassen, ging zu den wartenden Autotaxen, setzte sich in einen der schwarzen Wagen und sagte auf französisch: »Zur deutschen Botschaft, bitte.«
    Verwundert blickte der Chauffeur auf. »Deutsche Botschaft? Haben wir seit Abbruch der diplomatischen Beziehungen nicht mehr. Es gibt hier nur eine deutsche Handelsmission.«
    »Dann fahren Sie mich dorthin«, stieß Dimitri hervor.
    Die Taxe fuhr an. Dimitri sah schnell zurück.
    Niemand stand in der Tür. Keiner lief ihm nach. Nur der Portier stand an der Drehtür und grüßte ankommende Gäste. Aus dem großen Saal klang Musik auf die Straße. Die Fenster des Tagungssaales waren mit Portieren verhängt. In der Bar tanzte man bereits. Die Nacht von Beirut hatte begonnen …
    »Schneller!« sagte Dimitri zu dem Chauffeur. Es war, als schwinge Angst in seiner Stimme. »Vite … plus vite …«
    Der Wagen schoß durch die Straßen und Gassen von Beirut.
    Dimitris Kopf sank auf die Brust.
    Leb wohl, Rußland, dachte er.
    Ich flüchte in den Nebel einer neuen, unbekannten Welt.
    *
    Kolka Iwanowitsch Kabanow – wir wollen Karl Wolter noch so nennen, solange er in Rußland ist und nicht deutschen Boden wieder betreten hat – ging systematisch vor.
    Zunächst erzählte er allen Leuten und Nachbarn, welch große Ehre ihm zuteil geworden sei. »Nach Beirut ist mein Söhnchen«, rief er überall, selbst im Bazar und auf dem Markt. »Als Wissenschaftler! Als Fachmann! Ihr sollt sehen, Brüder, er kommt zurück und wird Chefingenieur!«
    Die Nachbarn beglückwünschten ihn, denn in Tiflis ist man ohne Neid. Bekannte tranken mit Kolka ein Gläschen Wodka, und so kam es, daß Kabanow, das glückliche, stolze Väterchen, überall verkünden konnte: »Ich nehme die Gelegenheit wahr, Brüder, auch eine Reise zu machen. Jawohl. Wozu hat man gespart? Noch hat man Augen, die sehen können, und die Knochen machen auch noch mit. Nach Batum fahre ich, zum Schwarzen Meer. Noch nie war ich da. Will doch sehen, ob es wirklich schwarz ist.«
    Da lachte man, freute sich über den fröhlichen Alten und wünschte ihm gute Fahrt. Und so fiel es gar nicht auf, daß Kabanow eingekauft hatte, als wolle er hamstern. Wer verreist, in fremde Gegenden, weiß nie, was er dort antrifft. Tiflis war ein gesegnetes Land. Aber es kann ja sein, daß am Schwarzen Meer die Menschen nur Tintenfische essen! Das war nichts für Kabanow, und wem er das erklärte, der sah es ein.
    Kolka hatte alles beisammen, was sie brauchten. Einen Wagen, die Pferdchen, die Lebensmittel, und sogar eine Militärpistole. Die hatte in seinem Schlafzimmer unter den Dielen gelegen, und keiner wußte das, auch Dimitri nicht.
    Bettina hatte schon seit Tagen gekocht und gesotten. Sie briet Fleisch und rollte es dann in Stanniolbogen, so blieb es frisch und schimmelte nicht. Sie kaufte sich derbe Leinenhosen, feste Stiefel, ein paar Kopftücher, Blusen und einen dicken Wollpullover. »Wer weiß, wie lange wir brauchen«, sagte Kolka. »Wir müssen uns auf alles vorbereiten.«
    Dann kam der Morgen, an dem sie weggingen. Zu Fuß bis zu dem Omnibus, der hinaus bis zu den Machatskaja-Bergen fährt. Dort warteten bei einem Bauern Pferdchen und Wagen, in Pflege gegeben für fünf Rubel pro Tag.
    Noch einmal blieb Kolka Iwanowitsch stehen und sah zurück auf sein Haus.
    Hier hatte er mit seiner russischen Frau gelebt und war glücklich gewesen. Hier hatte er Dimitri Sergejewitsch großgezogen und dafür gesorgt, daß er etwas Ordentliches im Leben wurde. Hier hatte er Jahre um Jahre am Fenster gesessen, seine Zeitung gelesen und seinen Wodka getrunken, und die Zeit war an ihm vorbeigeflossen, und er war zufrieden gewesen. Die Wunden des Krieges waren verheilt, die Wunden der Seele vernarbt, die Erinnerung an Göttingen, an seine Frau Agnes und seine Kinder Wolfgang und Bettina, starb dahin wie ein welker Baum, denn man konnte Geschehenes nicht durch Trauer ändern.
    Und nun war alles wie früher. Die Zeit war zurückgedreht. Das besinnliche Alter wurde wieder zum Kampf. Es gab keine

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