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Begegnung in Tiflis

Begegnung in Tiflis

Titel: Begegnung in Tiflis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sein, soll er in einem Bordell die Möbel zertrümmern, möge er besoffen in der Gosse liegen … man kann das ausbügeln wie eine zerknitterte Hose. Aber weg sein, einfach weg, womöglich unter dem Schutz einer westlichen Macht, das war auch für den Genossen Schejin das Ende einer erfolgreichen und schönen Laufbahn.
    Im großen Saal tanzte man. Der Sekt perlte in den schlanken hohen Gläsern. Am Ehrentisch brachte der amerikanische Botschafter einen Toast aus auf Ralph Bunche und seine Bemühungen um den Frieden der Welt. Fotoreporter und Wochenschauen filmten.
    Und zur gleichen Zeit flüchtet ein russischer Experte aus den Armen seines Mütterchens Rußland.
    »Seien Sie völlig unbefangen«, sagte Schejin, als er aus der Toilette zurückkam in die Halle, wo die Ölleute aus Tiflis noch immer herumstanden. Professor Swinzow war sogar unruhig. An der Tür zur Bar wartete die schöne Dame auf ihn. Sie wechselten Blicke, und in Swinzow blähte sich das Herz wie eine aufgeblasene Schweinsblase.
    »Dem Genossen Sotowskij ist es schlecht geworden. Er verträgt keinen Sekt. Er ist auf sein Zimmer gegangen.«
    Die Russenversammlung löste sich auf. Professor Swinzow verschwand in der Bar und wurde erst am nächsten Mittag wiedergesehen, hohläugig und bleichwangig, aber mit glühenden Augen.
    »Diese Weiber!« rief er ein ums andere Mal. »Ein Vulkan ist blubbernder Pudding dagegen! Diese Rasse, diese schmiegsamen Körper, diese Ausdauer – Genossen, man merkt immer zu spät, daß die Welt nicht nur aus Berechnungen und wissenschaftlichen Experimenten besteht.«
    *
    Schneller, als sie es für möglich gehalten hatte, saß sie Jurij Alexandrowitsch Borokin gegenüber und fand ihn so nett und höflich, wie sie ihn sich vorgestellt hatte. Niemand wußte, daß Agnes Wolter sich auf den Weg gemacht hatte zur sowjetischen Botschaft in Rolandseck, um als Mutter zu versuchen, mehr zu erreichen als alle Diplomaten.
    Wolfgang hatte Dienst an der Zonengrenze für einige jener Tage, über die man nicht sprach und von denen außer einem kleinen Kreis Eingeweihter niemand wußte, was während derselben geschah. Borokin interessierte sich sehr dafür und wartete auf die Rückkehr Wolters und seinen Bericht.
    Die Abwesenheit ihres Sohnes hatte Agnes Wolter zum Anlaß genommen, mit einer Taxe von Bonn nach Rolandseck zu fahren und sich bei Borokin zu melden. Irene Brandes war in Köln und kaufte ein; so störte niemand den Alleingang Agnes Wolters, von dem sie sich alles versprach. Sie haben alle eine Mutter, ob Deutsche, Russen, Chinesen oder Schwarze, und lieben sie. Nichts ist stärker als die Mutterliebe, denn sie alle waren ja einmal Kinder und haben nicht vergessen, wie sie an der Hand der Mutter durch ein Märchenland gegangen sind.
    Borokin ließ Agnes Wolter nicht eine Minute warten. Er unterbrach sofort ein Telefongespräch, schickte die Sekretärin mit den Akten hinaus und bestellte starken Kaffee mit Zucker und Schlagsahne. Alte Damen trinken so etwas gern; oft schrumpft ihre Welt zusammen zu einer Tasse Kaffee, in deren Aroma alle Erinnerungen eines Lebens liegen.
    »Es freut mich, die Mutter eines Freundes zu sehen«, sagte Borokin geschmeidig und küßte Agnes Wolter sogar die Hand, was sie sehr verlegen machte, denn nur dreimal hatte jemand ihr in ihrem Leben die Hand geküßt. Zweimal ein Vertreter einer kleinen Frottierhandtuchfabrik, der etwas verkaufen wollte, und einmal der Bürgermeister von Göttingen bei einer Gedenkfeier für die Opfer des Krieges.
    »Es wird sofort ein Kaffee gebracht. Sie trinken doch Kaffee, gnädige Frau?«
    »O danke, ja … sehr … danke.« Agnes Wolter setzte sich in einen Sessel und sah Borokin gütig an. Ein feiner Mensch, dachte sie. Ein offener Blick. Manieren. Man kann Vertrauen zu ihm haben. Wolfgang sieht ihn ganz falsch, aber das ist seine Jugend. Wo soll die Jugend Menschenkenntnis herhaben? Eine Mutter sieht das ganz anders. Sie fühlt den guten Menschen.
    »Ich wollte mit Ihnen über Bettina sprechen«, sagte Agnes Wolter ohne lange Einleitungen. Sie war es gewöhnt, ehrlich an die Dinge heranzugehen. Wozu umschweifende Worte, wenn man alles so klar sagen kann? »Bettina ist bei Ihnen in Rußland, durch diesen schrecklichen Unglücksfall in Tiflis …«
    »Ganz recht, gnädige Frau.« Borokin nahm der Sekretärin, die hereinkam, das Tablett ab, winkte mit den Augen, die Tür schloß sich, und Borokin bediente eigenhändig die etwas verhärmte Agnes Wolter.
    Es ist alles

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