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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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anredeten? Was hast du überhaupt dagegen, dass man dich bei dem Namen nennt, den dir deine Eltern gegeben haben?“
    Mit diesem Thema hätte sie wohl besser nicht noch einmal angefangen, dachte sie. Seine grantige Miene verhieß nichts Gutes.
    „Das ist, wie schon gesagt, eine unendlich langweilige Geschichte.“
    Die er ihr nicht zu erzählen beabsichtigte.
    „Dachte ich mir.“ Allerdings war es viel zu schön, ihn zu provozieren, als dass sie sich von seinem finsteren Gesicht hätte abschrecken lassen. Und eine Steigerung sollte ihr nicht wirklich schwer fallen. „Passt doch wunderbar. Weihnachten ist für lange Geschichten wie gemacht.“
    „ Suse, meine Vergangenheit ist nicht von Bedeutung. Außerdem gibt es zu viele schmerzliche Erfahrungen und traurige Erinnerungen, weswegen ich nicht darüber nachdenken oder gar reden möchte.“
    „ Das klingt jetzt aber reichlich übertrieben, meinst du nicht? Derart viel Theatralik passt überhaupt nicht zu dir. Ich finde deinen Namen …“, sie wackelte wie ein altes Weib mit dem Kopf, „edel, vornehm, aristokratisch – einfach passend.“ Sie beugte sich ein Stück über den Tisch und zupfte ihn am Ohr. „Im Gegensatz zu diesem frechen Ring, der garantiert nicht zu einem Märchenprinzen passt. Wie bist du bloß auf die verrückte Idee gekommen, dir dieses niedliche Körperteil durchbohren zu lassen?“
    „ Ich habe ihn mir verdient“, erwiderte er abweisend. „Und deswegen gehört er mehr zu mir als mein Name, ob er nun zu meinem Äußeren und meiner gesellschaftlichen Stellung passt oder nicht. Und ich bin stolz darauf.“
    Sie riss die Hände in die Höhe, als würde sie sich ergeben. „Dann will ich nichts gesagt haben. Wie hast du ihn dir verdient?“
    „Ich bin auf der Salpeterroute ums Kap Hoorn gesegelt.“
    „ Cool! Also, damit kannst du wirklich zu Recht protzen. Dennoch scheint mir dein Titel auch nicht gerade unnütz zu sein. Bestimmt hat dir den Dr.-Ing. niemand geschenkt. Kleiner Streber, was? Ist bei deinen vielen Reisen eigentlich immer alles glattgelaufen?“
    Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen. Sein Mund war nur noch ein dünner Strich, so fest presste er die Lippen aufeinander. Suse spürte, wie er sich innerlich zurückzog und sofort einen Schutzwall um sich errichtete.
    „Was ist? Schon wieder was Falsches gesagt? Manchmal kann man von deinen Stimmungsschwankungen echt ein Schleudertrauma bekommen.“
    „Ich werde dir erzählen, warum ich dich nicht an Bord der ‚Heinrich’ haben wollte. Warum ich beinahe zum Mörder geworden wäre, nachdem du mir deinen Heuerschein ausgehändigt h attest und keine Anstalten machen wolltest, schreiend davonzulaufen, obwohl ich dich wie den letzten Dreck behandelt habe.“
    Seine Stimme klang gehetzt und Suse lief es eiskalt den Buckel runter, weil sie merkte, wie viel Überwindung es ihn kostete, diese Worte hervorzubringen.
    „So extrem habe ich es nicht empfunden“, beschwichtigte sie ihn.
    „ Meine erste Reise als Zweiter NO bin ich auf dem Schwesterschiff der ‚Heinrich’ gefahren. Es waren zwei Miezen an Bord, junge, hübsche Dinger und naiv bis zum get no , um die sich natürlich schon bald alle rissen. Anfangs haben die Mädels das Bad in der Menge in vollen Zügen genossen, aber nach ein paar Wochen war Schluss mit lustig. Transitausgabe, Kammerfete, ein Wort gab das andere, bis sich schließlich der Alte und der Chief Mate mit ein paar Matrosen anlegten und das anfängliche Wortgeplänkel in eine handfeste Schlägerei ausartete. Das Ende vom Lied war, dass wir drei Mann in ein Krankenhaus bringen mussten und die Fahrt ohne Kapitän fortsetzten.“
    „Ohne Kapitän? Soll das heißen, der Chief Mate hat mit dir als Second euer Schiff heil nach Hause gebracht?“
    „ Na ja, nicht ganz. Der Chief Mate hat mir in ein paar seltenen lichten Momenten vom Krankenbett aus Anweisungen gegeben. Offiziell vertrat er den Alten, weil ich den Behörden kein entsprechendes Befähigungszeugnis hätte vorlegen können und wir ohne großes Federlesen aus dem Verkehr gezogen worden wären. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viele Köpfe gerollt wären, wenn wir diese Sache an die große Glocke gehängt hätten. Es war eine Drei-Monats-Reise, während der ich eine Unmenge gelernt – der Not gehorchend lernen musste – und tagelang höchstens drei Stunden Schlaf abbekommen habe, aber anschließend hat es nicht mehr lange gedauert und ich hatte mein eigenes Schiff. Tja, und von daher kann

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