Begegnungen (Das Kleeblatt)
er ungehalten hervorstieß: „Suse, ich werde dir nicht den Gefallen tun, dir eine Liste sinnloser Titel aufzuzählen oder dir die verstaubten Chroniken und Wappen in meinen verfallenen Schlössern zu zeigen. Ich will davon nichts mehr hören, kapiert?“
Es war nicht zu übersehen, wie sehr er sich darüber ärgerte, die Sprache auf dieses Thema gebracht zu haben.
Aber auch Suse fühlte sich schlagartig unwohl in ihrer Haut und lenkte das Gespräch instinktiv in eine andere Richtung. „Und Adrian war dann wohl dein … dein …“ Weil ihr auf die Schnelle das rechte Wort nicht einfallen wollte, platzte sie mit dem heraus, was ihr gerade in den Sinn kam: „Dein Sklave?“
Matthias Clausing zuckte derart heftig zusammen, als hätte sie ihn geschlagen. Seine Hände ballten sich zu Fäusten. „Zur Hölle! Nein!“ Er brüllte es förmlich und solidarisch stimmte das Baby in sein Geplärr ein. „Selbstverständlich nicht!“
Susanne biss sich auf die Unterlippe, als er seine Serviette mit einer wütenden Handbewegung auf den Tisch warf und von seinem Stuhl aufsprang. Ziellos und blind vor Wut lief er durch das Zimmer, die Hände auf dem Rücken verschränkt.
„Matt ’n.“ Todesmutig stellte sie sich ihm in den Weg und legte ihre Arme um seine Taille, sodass er gezwungen war stehen zu bleiben, um sie nicht niederzuwalzen. „Ich hatte nicht vor, dir diesen wunderschönen Morgen zu vermiesen, und deswegen entschuldige ich mich. Komm, setz dich wieder zu mir. Du hast dir so viel Mühe gegeben mit dem Frühstück, aber bisher kaum etwas gegessen. So sollte kein Tag beginnen. Und dieser schon gar nicht.“
„Ossi ist mein Freund.“
„Ich weiß und genauso, was es bedeutet, einen Freund zu haben.“
„Er war es von Anfang an und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.“
„Das würde niemand wollen. Niemand kann so gut wie ich einschätzen, wie wichtig ihm eure Freundschaft ist. Es ist mir einfach rausgerutscht. Du kennst mich doch, meine Zunge war schon immer um einiges schneller als mein Hirn. Zu dumm! Einfach blöd! Es tut mir aufrichtig leid. Ich wollte dich nicht ärgern. Heute ausnahmsweise mal nicht.“
Und sie meinte es tatsächlich so, wie sie es sagte. Sie ahnte mittlerweile, wie tief die Beziehung zwischen den beiden Männern reichte. Natürlich war ihr klar, dass ihm in Bezug auf Frauen ein Ruf vorauseilte, der den Teufel erröten lassen würde, aber genauso gut wusste sie, dass er sein Leben für seinen Freund geben würde. Nur wirklich gute Freunde wie Adrian und Matt’n würden sich über Jahre hinweg eine Wohnung teilen und sie bereitwillig räumen, wenn der eine sie für sich allein benötigte. Nur wirklich gute Freunde würden sich einen Fehltritt von der Größenordnung eines Seitensprungs verzeihen. Und von dem sorgsam eingerichteten Kinderzimmer und den Einkäufen und sonstigen Gefälligkeiten des Kapitäns profitierte jetzt sogar sie.
„Wie passt Adrian also in diese tolle Geschichte?“
„Wenn du seine Antwort darauf hören möchtest: gar nicht. Er hat sich in dieser Umgebung nie wohl gefühlt.“
Seine Hand beschrieb einen weiten Bogen und er meinte damit nicht allein diese Wohnung. Ihn selber schloss diese Geste genauso mit ein und es schmerzte ihn noch heute unsäglich, dass sein Freund immer wieder auf den zwischen ihnen bestehenden Standesunterschied pochte. Dabei hatte er alles Menschenmögliche unternommen, um Ossi seine unglückselige Kindheit vergessen zu lassen und aus dieser Wohnung ein echtes Zuhause für ihn zu machen.
Doch Ossi hatte es nicht angenommen, sondern sich stets wie ein Gast gefühlt. Und dementsprechend hatte er sich hier bewegt, Miete und sein Essen gezahlt, für peinliche Ordnung in seinen Räumen gesorgt, obwohl sich eine Reinigungsfirma um die Sauberkeit im gesamten Haus kümmerte, und das Weite gesucht, sobald er, Clausing, sich mit irgendwelchen Leuten zum Feiern traf. Dann entschuldigte sich Ossi jedes Mal damit, zu müde oder beschäftigt zu sein – weil er ihm nicht auf den Kopf zu sagen wollte, dass er nichts in diesen Kreisen zu suchen hatte. Kein einziges Mal hatte er sich zu ihnen gesetzt, selbst wenn es lediglich Kollegen oder Studienfreunde waren, die ganz zwanglos auf ein Bier zum Ratschen kamen.
„Ossi schätzt sich nicht hoch ein und denkt, andere würden es ebenfalls nicht tun. Er ist bloß ein kleiner Koch ohne glamouröse Vergangenheit und passt unmöglich in diese vornehme Gesellschaft, so sein Reden. Schon als Kind
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