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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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mademoiselle .“
    Er beobachtete, wie Catherine mit einer Ofenzange die schwere Eisenplatte über der Feuerstelle anhob und zur Seite legte. Mit konzentrierter Miene warf sie einige Stücken Holz auf die rote Glut und pustete und wedelte mit den Händen die aufsteigende Rauchwolke von ihrem Gesicht weg. Wieder lachte sie und schob die Platte auf die Öffnung zurück. Es konnte nicht lange dauern und der Wasserkessel würde leise zu pfeifen beginnen.
    Während sie sich am Ofen zu schaffen machte, um für ihren Gast den Tee zu bereiten, schaute sich Alain verstohlen um. Sein Blick schweifte über das spärliche Mobiliar in der winzigen Hütte. In der Mitte des Raumes stand ein Tisch mit zwei Stühlen und an der Wand unter dem Fenster der gusseiserne Ofen , dessen schiefes Rohr in der Wand verschwand. Daneben befand sich ein mickriges Regal mit etwas Geschirr und verbeultem Kochgerät. Hinter einem Vorhang aus hellen Stoffstreifen vermutete Alain den Schlafraum.
    N ach irgendwelchen persönlichen Gegenständen hielt er dagegen vergeblich Ausschau. Er musste etwas finden, das ihm die Gewissheit gab, dass dies wirklich Beates Zuhause war. Möglicherweise verstand die Kleine doch nicht alles, was er gesagt hatte?
    „Ist das Beates Haus oder wohnst du mit deiner Mama hier?“
    Catherine verstand den Sinn seiner Frage nicht und erwiderte deswegen lediglich mit einer Spur Übermut in der Stimme: „Ja, ja, ja.“
    Wie aufgezogen hopste sie kichernd in eine Zimmerecke und holte aus einer ramponierten Obstkiste eine Stoffpuppe hervor. Das Mädchen wiegte sie auf dem Arm und flüsterte ihr etwas ins Ohr. Ihre Hand hatte sie vor den Mund gehoben, während ihre Augen geheimnisvoll leuchteten und wachsam auf Alain gerichtet waren.
    „Cat, kannst du mir sagen, wie alt du bist?“
    „Ich werde bald ein Schulkind sein.“
    „Und wie viele Jahre bist du alt?“
    Erneut wiegte sie ihren Kopf hin und her und erzählte ihrer Puppe etwas in einer Sprache, die Alain nicht verstehen konnte. Sie lachte ihn dabei an, so offen und ehrlich, dass ihm das Herz schmolz. Es waren Beates Blick und ihr verschmitztes Lächeln, die ihn wie ein Lichtblitz trafen und wärmer als die Sonne strahlten. Er hatte alles dafür gegeben, um es noch ein einziges Mal sehen zu dürfen. Er war am Ziel!
    Catherine hüpfte zum Herd, fasste mit einem Zipfel ihres Kleides den verrußten Kupferkessel und goss das kochende Wasser in eine Teekanne. Ihre Zunge lugte zwischen einer Zahnlücke hervor. Sie kam bald in die Schule, hatte sie gesagt. Demnach musste dieses spillerige Ding älter sein, als er auf den ersten Blick geschätzt hatte.
    Die Augen des Mädchens strahlten vor Eifer, während sie die Kanne vorsichtig auf dem Tisch abstellte und Alain eine Tasse reichte. „Monsieur Germeaux, bitte schön.“
    A us einem unerklärlichen Impuls heraus strich er ihr zärtlich über das Haar. Ihre völlig unerwartete Reaktion darauf traf ihn indes wie eine eiskalte Dusche, denn sie wich entsetzt vor ihm zurück und starrte ihn mit angstvoll aufgerissenen Augen an. Als hätte man ihm einen Schlag in die Magengrube versetzt, rang er nach Atem. Erschöpft ließ sich Alain auf einen Stuhl sinken. Er brauchte wohl einen Moment Ruhe. Bestimmt hatte er sich geirrt. Seine Sinne spielten ihm einen Streich, was sonst? Sobald er Beate seine Fragen gestellt hatte, würde er eine Woche lang durchschlafen, danach wäre alles wieder in Ordnung mit ihm.
    „Ich habe ein Geschenk für Beate. Für meine Frau mit den grünen Augen“, murmelte er mehr zu sich als zu dem Kind.
    Catherine hatte ihn trotz allem verstanden. Getrieben von Neugier stellte sie sich auf die Zehenspitzen und reckte den Kopf vor. Voll Skepsis beäugte sie den dicken Briefumschlag, den Alain aus seinem Rucksack zog und unschlüssig in der Hand hielt.
    „Das ist ein komisches Geschenk“, bemängelte sie und stemmte ihre Fäustchen vorwurfsvoll in die Hüfte.
    „Du hast Recht. Eigentlich sind es bloß Briefe von ihrer Mutter und von einer Freundin in Deutschland und ein paar wichtige Papiere, die ich Beate geben möchte. Sie wartet darauf.“
    Catherine kniff ihre Augen zusammen und hielt die Luft an. Dann stieß sie hastig hervor: „Wird dieses Geschenk meine maman traurig machen?“
    „Ich weiß es nicht, mein Kind“, flüsterte er und schüttelte den Kopf. „Ich weiß es wirklich nicht. Ist deine maman denn oft traurig?“
    Durfte sie ihm erzählen, dass sie immer noch um den Mann weinte, der schwarze Haare

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