Begegnungen (Das Kleeblatt)
ungeduldig an.
„Augenblick. Ich habe …“ Er hielt Ossis Wohnungsschlüssel griffbereit in der hoch erhobenen Hand und schob sich an ihr vorbei, um die Tür zu öffnen.
„Ah, wie kommt ’s denn? Sind wir diesmal gar nicht verheiratet, Kaptein?“, bemerkte sie in einem ätzenden Tonfall und deutete feixend auf seinen rechten Ringfinger.
W ie hätte sie vergessen können, dass er bei seinen Landgängen zur Verwirrung der Weiblichkeit stets einen auffälligen Ring am Finger trug? Es war ihr ein innerer Vorbeimarsch zu beobachten, wie der stolze Kapitän bei dieser Feststellung zusammenzuckte und sich sein Gesicht tiefrot verfärbte.
„ Das war kein verdammter Ehering“, knurrte er.
Kaum hatte sie die Wohnungstür hinter ihnen beiden geschlossen, wirbelte sie herum und schnauzte: „So, und nun sag, was du zu sagen hast, und dann verschwinde ein für alle Mal aus meinem Leben!“
„Susanne, das … Es tut mir leid. Ich meine die Sache mit Ossi. Dass es offenbar noch schlimmer geworden ist mit ihm. Dabei war ich mir sicher, er würde sich und seine Probleme in den Griff bekommen, wenn ihr erst einmal an Land seid.“
„Pah! Was soll ’s?“, winkte sie ab. „Ist alles eine Frage der Gewohnheit, nicht wahr?“
Sie kehrte ihm den Rücken zu und verbrachte eine halbe Ewigkeit damit , Adrians Trenchcoat und ihren eigenen Mantel an die Garderobe zu hängen. Ihre Hand stieß an etwas metallisch Klirrendes. Hatte Adrian etwa Schlüssel vom Hotel mit nach Hause genommen? Auch das noch! Sicher hatte er, nachdem er Clausing so unverhofft begegnet war, vergessen, die Schlüssel beim Pförtner abzugeben.
W undersamerweise waren bislang keine Beschwerden von seiner Arbeitsstelle wegen der Trinkerei gekommen. Und das war auch das mit Abstand Letzte, was sie gebrauchen konnten! Würde Adrian deswegen seine Stelle verlieren, würde ihn das zweifellos endgültig aus der Bahn werfen. Und er hätte ihr einen weiteren Beweis dafür geliefert, dass er zu nichts nütze war und sie sich in ihrem ureigensten Interesse schleunigst von ihm trennen sollte. Als ob er es mit Gewalt darauf anlegte, sie loszuwerden! Und sie wusste ums Verrecken nicht, warum!
Aber so weit würde er es nicht kommen lassen , seine Arbeit zu vernachlässigen. Adrian war ein hervorragender Koch, er liebte seinen Beruf und obwohl er sich nie selbst dazu geäußert hatte, wusste sie, dass er einige Jahre äußerst erfolgreich in einem Drei-Sterne-Restaurant gearbeitet hatte.
„War ’s das?“, erkundigte sie sich und blickte über die Schulter in die Richtung, wo sie Matthias Clausing vermutete, während sie in Adrians Mantel weiter nach dem Schlüssel wühlte.
„Nein.“
Eine volle Minute verstrich. Also gut, vermutlich waren es nicht mal zehn Sekunden, doch es fühlte sich wie eine ganze Minute an und brachte sie schließlich dazu, sich zu dem Kapitän umzudrehen.
„Und? Was nun?“ Mit einer ungeduldigen Geste riss sie die Arme in die Höhe und drehte die Handflächen nach oben. „Willst du hier Wurzeln schlagen? Oder hast du zur Abwechslung mal wieder die Sprache verloren? Kannst alleine suchen.“
„Ich wollte mit dir reden …“
„Was machen wir denn die ganze Zeit?“, fiel sie ihm ins Wort. Mit einer fahrigen Bewegung wischte sie sich eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht. Irritiert bemerkte sie das Zittern ihrer Finger, worauf sie unauffällig die Hände auf dem Rücken verschränkte.
„… über diesen Vorfall. Damals, auf der ‚Heinrich’.“
„Auf der ‚Heinrich’?“ Susanne zog verächtlich eine Augenbraue in die Höhe und tat, als würde sie angestrengt überlegen. „Ein Vorfall, sagst du?“
Mit einem Ausdruck übergroßen Bedauerns hob sie schließlich die Schultern und schüttelte den Kopf. „ Sorry , Clausing. Ich fürchte, was immer das für ein Vorfall gewesen sein mag, er war derart unwichtig, dass ich ihn bereits vergessen habe.“
Er sah Verletzlichkeit in ihren Zügen aufblitzen, etwas, das sehr selten geschah, doch war dieser Eindruck ebenso schnell wieder verschwunden.
Sie lachte höhnisch auf. „Tut mir leid, wenn ich ein wenig Luft aus deinem aufgeblasenen Ego lassen muss, aber mir scheint, du hast eine übertriebene Vorstellung von der Rolle, die du in meinem Leben gespielt hast.“
Diese Bemerkung gefiel ihm nicht, nichtsdestotrotz ließ er sie durchgehen und bedachte Susanne lediglich mit einem finsteren Blick. Er war überzeugt, dass sie nichts vergessen hatte, da er zum einen
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