Begegnungen (Das Kleeblatt)
wusste, welch lausige Lügnerin sie war, und er sich andererseits für einen viel zu guten Liebhaber hielt, den man nicht so ohne weiteres aus dem Gedächtnis strich.
Er s chaute in ihr gelangweiltes Gesicht und erste leise Zweifel meldeten sich zu Wort. Sollte es allen Ernstes möglich sein, dass ihr diese Nacht nicht in der gleichen Weise wie ihm in Erinnerung geblieben war?
„ Ich wollte dich um Entschuldigung bitten, weil ich mich euch gegenüber so mies benommen habe, für die Art und Weise, wie ich dich bloßgestellt und Ossi provoziert habe, dass er sogar seine Kündigung geschrieben hat.“
„ Nur zu.”
Er stutzte. Fasziniert beobachtete Susanne sein bewegtes Mienenspiel. Dass er seine nonchalante Gelassenheit verlor, erlebte sie zwar nicht zum ersten Mal, dennoch erfreute sie sich stets aufs Neue daran.
„ Das habe ich eben getan.”
„ Sonst fällt dir nichts ein?”
Die se Strafe hatte er verdient, dennoch lächelte er. „Soll ich zu Kreuze kriechen?”
Seine unschuldige Frage entwaffnete sie, ließ ihre Wut wie einen Luftballon zusammenschnurren, in den jemand mit einer Nadel gepiekt hatte. Aber sie wollte wütend sein. Sie hatte ein Recht darauf, wütend zu sein.
„Immerhin wär’s ein lobenswerter Anfang.”
„ Ich habe keine Ahnung, wie man das macht. Bisher sind immer mir die Leute in den Arsch gekrochen.”
„Und du hast es sicher genossen.“
„Susanne, es bedeutet mir sehr viel, dass du meine Entschuldigung annimmst.“ Er kämpfte gegen den in ihm aufsteigenden Ärger.
„ Oooh, das bedeutet dir also etwas? Du willst in der Hauptsache dein schlechtes Gewissen beruhigen, richtig? Es geht dir um nichts anderes als deinen eigenen Seelenfrieden. Dann will ich dir mal was sagen: Da gibt es nichts zu entschuldigen, Herr Kapitän! Solche Dinge passieren eben. Habe ich nämlich schon auf der ‚Fritz Stoltz’ mitbekommen, wie das läuft. Zwei Dutzend Männer, die Wochen oder gar Monate abgeschieden von der Zivilisation auf sich selbst und ihren Einfallsreichtum angewiesen sind. Auf gute, alte Handarbeit, um genau zu sein. Ist es nicht verständlich, wenn es unter diesen Umständen durchaus vorkommen kann, dass einer ausrastet, sobald eine Frau an Bord auftaucht?“
Sie hielt inne. Das konnte er ja gar nicht wissen – vorausgesetzt, sein Freund hatte ihm nicht auch von dieser hässlichen Szene mit André Gaubert an Bord der „Fritz Stoltz“ erzählt.
„ Als Frau auf See muss man immer mit derartigen Ausrutschern rechnen. Selber schuld, ich hätte ja an Land bleiben können. Du warst doch ebenfalls dieser Meinung: Eine Frau gehört ans Bett oder in den Kochtopf! Und wenn ein Weib unbedingt aus der Reihe tanzen muss, soll sie gefälligst auch die Folgen tragen. Ist es nicht so? Ist es nicht immer schon so gewesen?“
„Nein ! Nein, verdammt, Suse! Verstehst du mich eigentlich absichtlich falsch?“
Mit vor Zorn und Frustration blitzenden blauen Augen trat er einen Schritt auf sie zu. Sie jedoch zuckte nicht zurück, wie er vielleicht erwartet hatte, sondern reckte schnippisch ihr Näschen in die Höhe und schaute ihn erwartungsvoll an. Würde er es wirklich wagen?
Er verschränkte die Arme vor der Brust und fügte mit ausdrucksloser Stimme hinzu: „Du weißt genau, das ist kompletter Unsinn. Es war nicht deine Schuld. So etwas hätte mir nie passieren dürfen. Ich! Ich allein trage die Verantwortung für … diese Nacht. Ich habe die Situation und meine Stellung als Kapitän in nicht vertretbarer Art und Weise ausgenutzt. Du hast mir vertraut, wolltest nichts anderes, als um meine Unterstützung bitten. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich längst, dass Ossi und du … ich meine, dass ihr wieder …“
„… miteinander vögelt“, half sie ihm bereitwillig auf die Sprünge und zitierte ihn spöttisch: „‚Vergiss nicht, Ossi, die Wände an Bord sind so dünn, dass dein Nachbar jeden Orgasmus akustisch miterlebt.’ Hast du nicht sogar von seelischer Grausamkeit geredet? Rücksichtslosigkeit? Psy-cho-ter-ror? Hast du Adrian deine Missbilligung nicht mit diesen netten Worten deutlich gemacht?“
Clausing hob die Schultern und seufzte entnervt. „Ich habe mich wie ein Schwein benommen und ich bedaure es aufrichtig“, gestand er schließlich und senkte reumütig den Blick.
Sie hatte eine Rechtfertigung von ihm erwartet in der Hoffnung , ihm widersprechen zu können. Irgendwelche billigen Ausflüchte, mit denen er sich herauszureden versuchte. Er jedoch bekannte sich ohne
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