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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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langsam sein Hemd aufzuknöpfen und von den Schultern zu zerren.
    „Bist du nun zufrieden?“, attackierte er sie unwillig. „Genügt das? Oder soll ich jetzt meine Hose runterlassen?“
    Einen Moment lang starrte sie auf seine Bauchdecke und die breiten, vernarbten Streifen darauf. Kaum merklich zuckte sie zu sammen.
    „Was ist?“ Sein Ton klang eine Spur schärfer, als er ihren schockierten Blick bemerkte. „Hast du endlich genug gesehen?“
    Sie schluckte gequält und trat entschlossen einen Schritt auf ihn zu. Sie griff nach seinem Arm und hielt ihn in die Höhe. Sacht fuhr sie mit dem Zeigefinger über eine dunkle Stelle an der Innenseite sei nes Oberarmes.
    „Das ist … ich weiß nicht genau. Allerdings sieht es nicht aus wie Sonnenbrand.“
    Verärgert zog er seinen Arm weg. „Seit wann machst du aus einer Mücke gleich einen Elefanten? Das ist nichts.“
    „Du musst unbedingt zu einem Arzt.“
    „Ich weiß.“
    „Als Transplantierter solltest du vorsichtiger sein.“
    „Bravo!“ Betont langsam hob er die Hände und applaudierte mit sarkastischer Stimme. „D ass du das nicht vergessen hast.“
    „ Als ob ich das jemals könnte“, murmelte sie und würgte an dem dicken Kloß in ihrem Hals, der sie zu ersticken drohte. „Jeden Tag werde ich daran erinnert. Seit sieben Jahren.“
    Zu spät merkte er, wie sehr seine Worte sie trafen. Es stimmte, sie war wegen der illegal ge handelten Transplantate hierhergekommen und begegnete jeden Tag Männern mit einer Narbe an immer der gleichen Stelle und Frauen wie sie selber, die Kinder allein zu diesem einen Zweck zur Welt brachten.
    „Ich wollte dir nicht wehtun.“ Mit einer versöhnlichen Geste streckte er seine Hand nach ihr aus und zog sie daran zu sich. „Es ist verrückt, denn genau das ist es, was ich unentwegt mache. Ich bin … also manchmal bin ich in der Tat …“
    „Ein unsensibler Trottel“, brachte Beate zuvorkommend seinen Satz zu Ende und blinzelte ihn wie ein e schläfrige Eule an. „Damit verrätst du mir wahrlich nichts Neues.“
    Er fuhr auf und widersprach heftig: „Nein! Nein, das wollte ich doch gar nicht sagen!“
    „Oh, ich tue das gerne für dich.“
    „Unglaublich. Du bist es tatsächlich. Bea. Mein geliebter, kleiner Besen.“
    „Wer denn sonst?“
    „Ich hatte Angst, dich verloren zu haben.“
    „Was ist mit deiner Haut, Alain?“
    „Ich werde mich darum kümmern, sobald ich zu Hause bin. Und jetzt hör auf damit. Ich möchte dein Mitleid nicht.“
    „Es ist kein Mitleid, wenn ich mir Sorgen um dich mache. Ich habe Angst um dich, Alain. Du siehst müde aus.“ Ihre Finger zeichneten die tiefen Falten auf seiner Stirn nach. „Und krank. Gibt es irgendwelche Probleme? Mit deiner Niere?“
    „Nein.“
    „Ich habe gelesen, die durchschnittliche Überlebenszeit liegt bei zehn Jahren.“
    „Und der Rekord in Europa sogar bei dreißig. Du siehst also, mit etwas Glück bleibt mir noch einige Zeit zu leben. Ich vermute ohnehin, dass es ein zäher Bursche gewesen sein muss, der mir seine Niere vermacht hat.“
    Beate erstarrte. Obwohl sie sich verzweifelt dagegen wehrte, drängte sich ihr wieder das Bild des gefolterten Mannes im Kellerverlies von Stojan Stojkow auf.
    „Möglich, dass er es einmal war“, flüsterte sie geistesabwesend vor sich hin.
    Wahrscheinlich war sogar der Fremde, dem sie in der Villa des Marquess’ begegnet war, vor seiner körperlichen und seelischen Misshandlung durch Stojan Stojkow ein kraftvoller und vor Gesundheit strotzender Mann gewesen. Sie riss sich von der quälenden Erinnerung los. Dabei wusste sie genau, dass ihr das lediglich für kurze Zeit gelingen würde.
    „Du nimmst doch regelmäßig deine Tabletten?“
    „Na ja, es wäre übertrieben, das zu behaupten. Woher hätte ich wissen sollen, dass sich die Suche nach dir derart in die Länge ziehen und zu einer halben Weltreise auswachsen würde?“
    Betont lässig zog er sich sein Hemd wieder über. Er sparte sich die Mühe , es ordentlich in die Hose zu stecken, sondern schloss lediglich die untersten Knöpfe, um die Narben auf seinem Bauch zu verdecken. Er machte eine weit ausholende Handbewegung. „Also musste ich meinen Vorrat etwas strecken.“
    Allerdings war inzwischen selbst das nicht mehr nötig – sein Vorrat hatte sich längst erschöpft. Mittlerweile begnügte er sich mit Aspirin, weil das wirklich überall auf der Welt zu erschwinglichen Preisen erhältlich war.
    „Du solltest zu einem unserer Ärzte gehen“, gab

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