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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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konnte. Lediglich Schuhe und Hemd hatte er abgelegt, bevor er sich neben sie auf das Bett hatte fallen lassen wie ein Stein. Bereits im nächsten Moment war er eingeschlafen.
    Aus diesem Grund hatte sie sich frühmorgens leise aus dem Zimmer geschlichen, um nach Katrin zu sehen. Doch jetzt war fast Mittagszeit und sie hatte gehofft, ihn zu einem gemeinsamen Essen überreden zu können.
    Als sie näher an sein Bett trat, erkannte sie, dass er die Augen weit geöffnet hatte. Sein Aussehen alarmierte sie. Er biss seine Zähne fest aufeinander und atmete angestrengt. Die Sehnen an seinem Hals traten unnatürlich hervor. Offenbar hatte er große Schmerzen und wollte es vor ihr verbergen. Er bewegte sich auch dann nicht, als er die zierliche Gestalt seiner Frau neben sich bemerkte, sondern starrte an die Zimmerdecke. Lediglich um seinen Mund zuckte das Erkennen.
    Wortlos legte sie ihre kühle Hand auf seine Stirn und wich entsetzt zurück. Er glühte! Sie entdeckte das Thermometer auf dem wackligen Nachttisch und griff danach.
    „Nicht, Bea“, krächzte er heiser und mühte sich vergeblich, seine Hand zu heben, um Beate zurückzuhalten. „Bea, ich … ich kann nicht … mehr. Es … ist aus. Tut mir … so leid.“
    Sie beugte sich über ihn und flüsterte: „Ich komme gleich wieder zurück. Bleibe noch einen Moment wach, Alain, hörst du? Nicht einschlafen, bitte. Es dauert nicht lange.“
    Es vergingen tatsächlich nur ein paar Minuten, bis sich die Tür zu seinem Zimmer wieder öffnete, Alain dagegen war es wie eine halbe Ewigkeit vorgekommen. Er hatte Angst vor dem Alleinsein, Angst, dass Beate die Gunst der Stunde nutzen würde, um sich mit Katrin davonzustehlen.
    Angst vor einem einsamen Sterben.
    Beate ahnte nichts von seinen Gedanken. Nicht einmal im Traum wäre sie darauf gekommen, dass er ihr zutraute, sie würde ihn in diesem Zustand verlassen. Ungeduldig zog sie den Krankenhausarzt hinter sich her. Doktor Ndatio Yangandawele blickte sich pikiert in dem kleinen Raum um. Er war es nicht gewohnt, von einer Frau während seiner geheiligten Mittagsruhe gestört zu werden. Von einer Frau! Lediglich die Aussicht auf die großzügige Bezahlung durch den Franzosen hatte ihn veranlasst, sich aus seinem Schaukelstuhl zu bequemen. Er hoffte, dem Fremden eine Rechnung in ähnlich Schwindel erregender Höhe wie für die Behandlung des schwächlichen Kindes dieser Weißen präsentieren zu können.
    Alain hörte Beates Stimme und schloss erleichtert die Augen. Er konnte nicht verstehen, was seine Frau zu dem Arzt sagte. Sein pfeifender Atem und ein Hämmern und Dröhnen in seinem Schädel übertönten mittlerweile all die anderen Geräusche um ihn herum. Also nahm er einfach an, dass sie versuchte, den Mann in irgendeinem Stammesdialekt zu etwas zu überreden. Bapuru hatte Cat diese Sprache genannt. Es interessierte ihn nicht, was Bea mit dem Alten zu bereden hatte, solange sie bloß in seiner Nähe war.
    Allmählich wich die übergroße Anspannung aus seinem Körper. Mit einem leisen Seufzer streckte er sich und verlor das Bewusstsein.
     
    Als er das nächste Mal die Augen öffnete, war Beate das Erste, was er vor sich sah. Das war gut und ganz genau so, wie es sein musste. Seine rissigen Lippen bewegten sich stumm, weil er ihr sagen wollte, wie sehr er sich darüber freute und dass er sie liebte. Er ärgerte sich maßlos darüber, aus einem unerklärlichen Grund keinen Ton hervorbringen zu können. Gerade jetzt musste er mit Bea reden. Er versuchte seine Gedanken zu ordnen, die wie durch einen dichten Nebel irrten. Sie schienen in alle Richtungen zu treiben, bloß nicht dorthin, wo er sie haben wollte. Es gab so viele unausgesprochene Dinge. Er durfte nicht sterben.
    Oder war er etwa schon tot?
    Er wollte sich umschauen, um herauszufinden, wo er sich befand, doch sein Kopf rollte schlaff zur Seite. Wogen der Übelkeit durchzuckten seinen kraftlosen Körper, der innerlich zu brennen schien. Er atmete immer schneller, kalter Schweiß trat auf seine Stirn. Im nächsten Moment würgte er qualvoll und übergab sich.
    Demnach war er nicht tot, so seine lakonische Feststellung, es schmerzte viel zu sehr. Aber mit den Schmerzen erwachte er auch langsam zu neuem Leben.
    Er fühlte eine Hand auf seiner Wange und verzog den Mund zu einem schwachen Lächeln. Selbst unter der Sonne Afrikas schien Beate nicht zu schwitzen. Ihre Hand kühlte seine glühendheiße Haut. Ein Wispern waberte durch den Raum an sein Ohr. Wie durch einen

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