Begegnungen (Das Kleeblatt)
Augen über die sehnige Gestalt des Jüngeren gleiten. „Die Herren wünschen?“
„Zwei Kaffee.“
Gemächlich trottete die Frau davon, nicht ohne sich noch einmal mit aufreizendem Augenaufschlag und frechem Blinzeln zu Adrian umgeblickt zu haben.
„Die ‚ Fritz Stoltz’“, sinnierte Adrian und legte den Zeigefinger über den Mund, als würde er angestrengt überlegen, woher er diesen Namen kannte. „Ja, ich erinnere mich. Eine einzige Katastrophe, was sich dort abgespielt hat. In jeder Hinsicht. Ist lange her und vergessen.“
„Versuchst du dir das allen Ernstes einzureden? Es hat keinen Sinn, mir etwas vormachen zu wollen. Du bist bis heute nicht darüber hinweg.“
„Mensch, Frithjof , bist du hier, um mir mit verstaubten Märchen auf den Sack zu gehen? Diesen Unfug muss ich mir auch so schon jeden Tag anhören und sei es einzig und allein als stumme Anklage auf Sannis … auf Susannes Gesicht. Was willst du wirklich?“
„Es ist soweit. Ich brauche dich.“
Sein Kopf schoss in die Höhe , während er für einen Moment hysterisch zu werden glaubte vor Panik, weil er keine Luft mehr bekam. Nein, schrie er lautlos auf, nein, nein, nein, nicht jetzt! Sein Blick ging durch sein Gegenüber hindurch und suchte sich einen Punkt in der Ferne, an dem er sich festhalten konnte. Ihm schwindelte. Die Geräusche um ihn herum wurden leiser und verschwammen, bis er nichts als seinen eigenen hektischen Atem hörte. Es ist soweit. Er hatte es gewusst. Er hatte zu jeder Zeit damit gerechnet. Und die vage Ahnung einer drohenden Gefahr hatte sich in den letzten Tagen beständig verstärkt. Es hätte ihn nicht überraschen sollen.
„Du has t den Zeitpunkt günstig gewählt“, murmelte er heiser und fuhr sich mit den Fingern durch die Haare. „Ich hatte verdrängt, dass ihr nach dem Prinzip der maximalen Schweinerei arbeitet. Einfach vergessen. So als könnte ich damit alles ungeschehen machen.“
„Nicht ich habe diesen Zeitpunkt gewählt. Es geht um Angel.“
Adrians Hände erstarrten in der Bewegung, bevor sie schlaff nach unten sanken. Lediglich mit Mühe gelang es ihm, seine Gefühle unter Kontrolle zu behalten. Mit einem Ausdruck größter Überraschung schaute er zu Peters, den Mund sprachlos geöffnet. Gegen seinen Willen zeigte er, was in ihm vorging. Für einen Augenblick waren die quälende Leere und der Zorn aus seinem Blick gewichen.
„Angel? Du meinst …“
„Was weißt du von ihm?“
Adrian schluckte hastig und zuckte unschlüssig mit den Schultern. „Was? Meine Güte , was schon? Nichts. Absolut gar nichts.“
Das entsprach natürlich nicht den Tatsachen und er lachte unsicher. Denn seine kleine Suse hatte von Angel gesprochen. Sie hatte ihn kennengelernt, als ihre Freundin vor beinahe zwei Jahren bei einem Unfall getötet worden war. Und er hatte Peters nicht davon berichtet.
„ Du meinst wirklich Angel? Stojanow? Ich dachte, den gibt’s gar nicht mehr. Er war lange außer Gefecht gesetzt nach … nach diesem … Wie soll ich diesen vermeintlichen Unfall nennen? Mordversuch dürfte sicherlich nicht so verkehrt sein. Was denkst du?“
Er fixierte Frithjof Peters, der seinem Blick nicht auswich, aber auch nichts erwiderte. Sein Stirnrunzeln vertiefte sich. „Euch entkommt keiner, was? Ich habe jahrelang weder von Stojanow noch von irgendeinem anderen der Jungs gehört.“
Wieder schüttelte Adrian den Kopf. Mit einer fahrigen Handbewegung rieb er sich über die brennenden Augen. Wie in den Nächten zuvor hatte er ebenfalls in der vergangenen Nacht nicht ausreichend Schlaf gefunden. Einmal nur vier oder fünf Stunden am Stück schlafen, ohne von seinen Albträumen geweckt zu werden, stellte inzwischen das Paradies für ihn dar. Lange hielt er das nicht mehr durch. Er konnte sich kaum noch erinnern, wie befriedigend es sein musste, am Morgen gesund und munter aufzuwachen.
Mit seiner Frau im Arm. Mit seiner wunderschönen Frau, die sein Kind in sich trug.
„Und ich habe euch in dieser segensreichen Stille nicht eine Minute vermisst, wie du sicher nachvollziehen kannst. Oder auch nicht.“ Nervös kratzte sich Adrian am Kinn. Die unerschütterliche Gelassenheit, die Frithjof trotz der Anschuldigungen an den Tag legte, machte ihn wütend. „Auf jeden Fall interessiert es mich keinen Deut, was aus den anderen geworden ist. Ich will nichts weiter dazu erfahren. Und noch viel weniger will ich damit zu tun haben.“
„ Ich kann mir nicht vorstellen, dass du mich falsch verstanden
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