Begegnungen (Das Kleeblatt)
sich nicht getäuscht!
Und er hätte seine Worte am liebsten zurückgenommen, denn sie enthüllten viel zu viel. Er hatte sich vorgenommen, sie vor ihrer romantischen Träumerei zu beschützen, doch nun hatte er ihr gerade gezeigt, wie viel ihm an ihr lag. Wie er Suse kannte, würde sie sofort wieder anfangen, Zukunftsträume zu spinnen, Pläne für sie beide zu machen. Die einzige Möglichkeit, sie jetzt noch zu schützen, bestand darin, ihr ein für allemal zu beweisen, auf was für einen Loser sie sich eingelassen hatte.
Aber das war schwer. Von all den hundsgemeinen Streichen, die ihm das Schicksal schon gespielt hatte, war dies der gemeinste: ihn mit einer hochanständigen, warmherzigen und liebenswerten Frau zusammenzubringen, die obendrein seine Kinder wollte.
Ihrer Miene konnte er ansehen, wie sie innerlich in ein triumphales Freudengeschrei ausbrach. Susanni! Sie hatte es gehört. Mit einem einzigen Wort hatte er sich verraten. Seine sorgsam gehegte Tarnung war aufgeflogen. Das Mäntelchen der Gefühllosigkeit und Kälte – weg! Sein perfekter Schutzschild, hinter dem er sich bisher feige versteckt hatte – pfutsch!
Voller Faszination bemerkte sie, wie Adrian eine tiefe Röte ins Gesicht stieg. Am liebsten wäre sie auf ihn zugeflogen und mit ihm beschwingt durch das Zimmer getanzt. Selbstverständlich durfte sie einen derartigen Gefühlsausbruch nicht riskieren, weshalb sie tat, als hätte sie es überhört, um ihn nicht noch mehr in Verlegenheit zu bringen. Gemächlich schlenderte sie auf ihn zu und kniete sich auf den dicken Teppich, dann schlang sie ihre Arme um seine Beine und legte ihren Kopf auf seine Knie.
Susanni. Mit diesem einen Wort strafte er all seine hartherzigen, kalten Äußerungen Lügen. Sie wusste von den dunklen Flecken in seiner Vergangenheit, die ihn noch heute leiden ließen. Sie hatte die Verbitterung in seinen Augen gesehen, die aufglomm, wenn er mitunter gedankenverloren vor sich hin starrte und meilenweit von ihr entfernt war. Dachte er an seine Mutter, die ihn verlassen hatte, noch ehe er sie hatte kennenlernen können, oder an die Menschen, bei denen er aufgewachsen war? Vielleicht war sein geheimer Schmerz die Wurzel all der Geheimnisse, die wie eine Wand zwischen ihnen aufragte. Sie wollte ihm so gern helfen, ihn in den Armen halten und berühren, irgendetwas für ihn tun, damit es ihm besser ging, wusste indes, dass ihre Unterstützung nicht willkommen war.
Plötzlich wurde ihr klar, dass sie sich für lange Zeit das letzte Mal so nahe sein würden. Sie glaubte sogar, in seiner Stimme einen Hauch von Angst gehört zu haben. Diesen Ton kannte sie – von der letzten Nacht auf der „Fritz Stoltz“, kurz bevor das Schiff sank und Adrian in ihrer Kammer auftauchte, um sie dazu zu bewegen, sich auf das rettende Bootsdeck zu flüchten.
Hatte er Angst , sich nicht von ihr trennen zu können? Angst, sie würden über eine gemeinsame Nacht wieder zueinander finden? Oder durchkreuzte sie damit irgendwelche Pläne, von denen sie keine Ahnung hatte? Musste Adrian womöglich Angst vor einer realen Gefahr haben, die ihm drohte? Selbstverständlich würde er es ihr nicht erklären, weder unaufgefordert, noch wenn sie ihn direkt danach fragte. Sie musste ihm blind vertrauen, dass er das Richtige tat, denn er würde ihr nie absichtlich Schaden zufügen.
Die Verzweiflung schnürte ihr die Kehle zu. Mit tränenerstickter Stimme flüsterte sie: „Ich liebe dich so sehr, Adrian. Bitte, ein letztes Mal. Ein allerletztes Mal , bevor wir uns trennen.“
„Das ist nicht gut.“
Sein Ton war hart und unerbittlich und Suse hatte das Gefühl, als würde er ihr ein Messer mitten ins Herz stoßen und wieder und wieder umdrehen. Er schob sie unsanft von sich, als könnte er ihre Berührung und Nähe nicht ertragen.
Und dann sah sie es!
Während sie aufstand, beugte er sich nach vorn und griff nach dem gefüllten Glas auf dem Couchtisch. Seine Hand zitterte und zwar so sehr, dass der Whiskey über den Rand schwappte, als er das Glas hastig zum Mund führte. Großer Gott, es war doch alles bloß Theater! Ihre Bitte ließ ihn nicht kalt. Er war schon immer ein miserabler Lügner gewesen. Und sie hatte wieder einmal Recht gehabt!
Er liebt mich. Ich weiß, dass er mich liebt.
Aber Liebe genügte nicht. Er musste auch an diese Liebe glauben, durfte die Menschen, die er liebte, nicht im Stich lassen, wie es seine Eltern getan hatten.
„Es kann gut werden. Es kann alles gut werden zwischen
Weitere Kostenlose Bücher