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Begegnungen (Das Kleeblatt)

Begegnungen (Das Kleeblatt)

Titel: Begegnungen (Das Kleeblatt) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansi Hartwig
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uns , glaube mir, Adrian. Nur lass mich nicht allein. Schick’ mich nicht weg.“
    Er senkte den Blick und schwieg. Sus anne wusste bald nicht mehr, ob er lediglich vor sich hin grübelte oder schon eingeschlafen war. Sie sank in ihren Sessel und fühlte, wie Panik sie erfasste. An Tagen wie diesem kam es ihr so vor, als ginge die Einsamkeit wie ein Mensch neben ihr her. Sie hatte das Gefühl, sie berühren zu können, wenn sie bloß die Hände ausstreckte. Doch dann griff sie ins Leere und war allein wie in jenem Moment, als die „Fritz Stoltz“ in einer stürmischen Herbstnacht im Atlantik gekentert und untergegangen war. In eben jener Nacht war sie von Adrian das erste Mal verlassen worden. Und sie hatte nicht nur elf Seeleute ertrinken sehen, sondern zwei gute Freunde verloren. Sie durfte Adrian nicht ebenfalls verlieren!

10 . Kapitel
     
    Lautlos war er aufgestanden und streckte ihr die Hand entgegen. Susanne zuckte zurück, als sie den Schatten neben sich wahrnahm, und hob den Kopf. Ungläubig blickte sie in sein bleiches Gesicht. Seine heldenhafte Selbstbeherrschung brach in sich zusammen, seine Augen begannen warm und klar zu leuchten und ihr Mut zuzusprechen. Einen Herzschlag lang glaubte sie zu träumen, dann reichte sie ihm die Hand.
    Ohne ein Wort stieg sie neben ihm die Stufen zu ihrem Schlafzimmer empor. Am oberen Treppenabsatz drehte er sich langsam um und betrachtete seine Frau, als wäre es das erste Mal. Dabei ahnten sie beide die Wahrheit.
    Um seine Mundwinkel spielte ein leises Lächeln, das sich verstärkte, als er sich dicht vor Suse stellte und seine Hände unter ihren Pullover gleiten ließ. „Ist der nicht viel zu warm für diese Jahreszeit?“ Er erinnerte sich, dass sie beinahe ständig fror, und mit einem Mal regte sich das schlechte Gewissen in ihm. „Meine kleine Frostbeule. Ich werde dich wärmen.“
    „Das wäre schön“, seufzte sie. „Du hast das lange nicht getan.“
    „Dabei ist es so einfach. “
    Er nahm ihr Gesicht zwischen die Hände, hielt sie fest und küsste sie, um ihren hoffnungsvollen Blick aus seinem Gedächtnis zu verbannen. Zorn brannte in ihm, Zorn darüber, dass er Worte gesagt hatte, die er niemals hätte äußern dürfen, etwas zugegeben hatte, das er niemals hatte gestehen wollen. Er war entschlossen, d iesen Zorn in Leidenschaft zu verwandeln, um den Schmerz in seiner Brust zu betäuben.
    Die Tatsache, sie während der vergangenen Wochen sträflichst vernachlässigt zu haben, trieb ihm erneut die Schamröte auf die eingefallenen Wangen. Seine Maske zerbrach und enthüllte die Verzweiflung und Liebe, die er darunter verborgen hielt. Von der Kindheit bis zum Mannesalter und im scheinbar sicheren Hafen des Berufslebens hatte er erfolglos gegen das betäubende, entmannende Grauen vor dem Verlassenwerden gekämpft. Schon früh hatte er erfahren, wie schnell eine Liebe beendet werden konnte. Das hatte sich damals als wahr erwiesen und galt seitdem unverändert.
    Also hatte er alles dar angesetzt, der Liebe keinen Platz in seinem Herzen einzuräumen. Zunächst hatte er sich von Fíona und ihren Märchen losgesagt, später hatte er Geliebten und Freunden gar nicht erst gestattet, ihm zu nahe zu kommen. Die Schuld lag bei ihm selbst und er kannte die Ursache, dennoch war es ihm unmöglich, diese Empfindung zu unterdrücken. Jedes Mal, wenn echte Liebe oder auch nur Freundschaft greifbar war, erhob sich das nackte Grauen davor, dass sie ihm wieder so brutal entrissen werden könnte. Gleichzeitig erwachten Misstrauen und Eifersucht und er war machtlos dagegen. Das schiere Bedürfnis nach Selbstschutz veranlasste ihn, alles, was an Freude, Liebe und Vertrauen dagewesen war, im Handumdrehen auszuradieren.
    Susanne hatte sich davon nicht beeindrucken lassen.
    „Vom ersten Tag an habe ich mich gefragt, was du in mir siehst. Ich kann bis heute nicht begreifen, dass du mich gewählt hast. Ausgerechnet mich. Wieso?“
    „Du begreifst das nicht?“ Sie schaute verwundert zu ihm auf. „Dass ich ausgerechnet dich will?“ Auch in der Wiederholung ergab es nicht mehr Sinn als zuvor.
    Beschämt senkte er den Kopf und flüsterte: „Nein.“
    „Aber diese Frage habe ich dir schon so oft beantwortet.“
    Da sie um sein hervorragendes Gedächtnis wusste, hielt sie es für ausgeschlossen, dass er ihre Erklärungen vergessen haben konnte. Außerdem gehörte er nicht zu den Typen, die man mit Komplimenten und Schmeicheleien bei Laune halten musste. Das konnte nur heißen …

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